Emil Bessels an Ernst Haeckel, Washington D. C., 4. August 1875

SMITHSONIAN INSTUTION,

WASHINGTON, D. C.

4/VIII/75

Mein lieber Herr Professor.

Mit betrübter Lohgerbermiene tunke ich die Feder ein, um Ihnen zu melden, dass ich vor kurzer Zeit schiffbrüchig hierher zurückkehrte, bei welcher Gelegenheit ich Ihr freundliches Schreiben vom 5ten May, sowie die Separat-Abdrücke vorfand.

Die Reise kam leider zu einem jähen Ende. Unser Fahrzeug rammte an der Ostküste der Vancouver Insel gegen einen Felsen u. sank mit rasender Geschwindigkeit. Außer meinem Humor u. meinem Frühstück ging Alles in die Brüche. Um der Mühe enthoben zu sein Ihnen den Sachverhalt zu erzählen, sendea ich Ihnen gleichzeitig eine Zeitung unter Kreuzband. Bei Ihrem Scharfsinne, dürfte || es Ihnen nicht gar schwer fallen herauszufinden, wer Amyl Bessels ist. Der Zwischenfall machte mir einen schwarzen Strich durch die Rechnung; ich that indess sofort alle nöthigen Schritte und habe bereits einen kleinen Dampfer zu meiner Disposition, um die Expedition kommenden Frühling, hoffentlich mit besserem Erfolg anzutreten. Es ist unbedingt nöthig, die Beringvölker einmal ordentlich zu betrachten, um der sonderbaren Ansicht, als seien die Eskimos Grönlands verschieden von denjenigen N. O. Amerikas u. diese von denjenigen der Beringstrasse, gründlich zu steuern. Die sehr schlaue Idee rührt von Barnard Davis her, der die Schädelform als Classificationsmoment benutzte und Virchow, sowie Andere stimmen ihm bei. Ich bin nun b augenblicklich im Besitze der grössten Sammlung von Eskimo-Schädeln, die existirt und besitzec etwa 100 vor den Bewohnern des Smith Sundes, die seit undenklichen Zeiten isolirt an jenem Eingangsthor zum Nordpol hocken und finde bei denselben sämmtliche Typen Barnard Davis’ vertreten. Einige hierauf bezüglichen Abfälle fasste ich in eine kleine Abhandlung || zusammen, die wohl bei Empfang dieses Schreibens bereits in Ihrem Besitze sein wird. Wenn kein Zwischenfall eintritt, so werde ich im Laufe des Winters nach Deutschland u. auch nach Jena kommen. Zuvor muss ich mindestens den ersten Band des Reisewerkes vollständig fertig sehen. Er wird etwa 600 4te Seiten enthalten u. ist schon seit Februar im Druck, ohne weiter als bis zur 200ten Seite vorgeschritten zu sein.

Seit Ihre Zeitschrift in andere Verlegerhände gekommen, scheint die Liberalität abgenommen zu haben. Früher gab’s 25 Separatabdrucke u. jetzt 10, was sich wahrscheinlich durch die schlimmen Buchhändlerzeiten erklären lassen dürfte. Sei dem indess wie da wolle. Wenn Sie die Güte haben möchten mir 20 weitere Abdrücke zu bestellen, so würden Sie mich zu grossem Danke verpflichten. Lassen Sie dieselben so rasch, als thunlichd unter Nachnahme an meine Adresse (Ludwigsplatz 18) nach Heidelberg schicken.

Nun leben Sie wohl u. nehmen Sie die herzlichsten Grüsse entgegen.

Ihr

Treu ergebener

Emil Bessels (Jones II)

verte! ||

Eilhard Schulze beschriebt mittlerweile den gleichen Rhizopoden unter anderem Namen in dem letzten Hefte der Commission zur Untersuchung der Deutschen Meere.

D. O.

a gestr.: lege, eingef.: sende; b gestr.: O; c korr. aus: Besitze; d eingef.: so rasch, als thunlich

Brief Metadaten

ID
7525
Gattung
Brief ohne Umschlag
Verfasser
Institution von
Smithsonian Institution
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Vereinigte Staaten
Datierung
04.08.1875
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
12,6 x 19,7 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 7525
Zitiervorlage
Bessels, Emil an Haeckel, Ernst; Washington D.C.; 04.08.1875; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_7525