Alwin und Elise Berger an Ernst Haeckel, La Mortola, Ventimiglia, 6. April 1913
LA MORTOLA,
VENTIMIGLIA,
ITALY.
6. April 1913.
Hochgeehrter Herr Geheimrat und Excellenz!
Wir schulden Ihnen vielen herzlichen Dank für Ihren lieben freundlichen Brief und das prachtvolle Albumblatt, mit dem Sie uns eine grosse Freude gemacht haben. Wir danken Ihnen beide herzlichst dafür. Ich habe es Herrn Professor Schweinfurth gezeigt und ihm auch Ihre Grüsse übermittelt, die er herzlich erwidert. Es geht ihm, abgesehen von einem Schnupfen, an dem wir doch alle mehr oder weniger im Winter leiden, recht gut. Er ist frisch und munter und interessiert sich für alles.
Uns hat es allen ausserordentlich leid gethan, zu hören, dass Sie || noch immer an den Folgen Ihres Sturzes zu leiden haben und nur auf 2 Stöcken gehen können. Aber bei Ihrer robusten Constitution wird sich das gewiss noch bessern und Sie werden Ihren unfreiwilligen Stubenarrest wohl überwinden. Ich kann mir sehr wohl vorstellen, wie Ihnen gerade das „Gefangensein“ schwer ankommen muss.
Herr und Frau Roth lassen Sie bestens grüssen. Sie hoffen, dass Sie doch bald wieder einmal an die Riviera kommen werden. Mrs. Stephen haben wir seit einiger Zeit nicht gesehen. Ihr ältester Sohn ist diesen Winter an Schwindsucht gestorben. Jedenfalls geht es der armen Frau nicht besonders. Sie hing mit grosser Liebe an diesem ältesten Sohn und der Verlust muss ihr ausserordentlich schwer werden. Uns hat der April verboten einstweilen das Haus zu besuchen, wegen der Kinder namentlich. || So haben wir in letzter Zeit mit Mrs. Stephen nur Briefe gewechselt.
Vorige Woche war in Monaco der Zoologische Congress. Am Freitag kamen etwa 30 Herren und Damen auch nach La Mortola mit Prof. Schweinfurth und Lord Walsingham, dem Entomologen. Es waren meist Engländer. Auch Herr von Rothschild aus London und Dr. Hartest, der Direktor seines Museums, waren dabei. Die übrigen waren fast alle Engländer, einige Franzosen und ein Herr aus Wien. An dem Tage war ein ungeheures Gedränge im Garten, über 700 Personen!
Am Sonnabend darauf kamen die jungen Prinzessinnen von Bulgarien um meinen Kindern einen Besuch zu machen. Ihr Papa hatte es Ihnen befohlen. Wir haben sie durch den Garten geführt und reichlich mit Curiositäten beladen. Dann hatten Sie Thee mit uns und spielten mit den Kindern. Es sind zwei reizende Backfische von 14 und 15 || Jahren. Es hat ihnen so gefallen, dass sie bald wieder kommen wollen; aber in den letzten Tagen haben wir fürchterliche Regengüsse gehabt. Auch heute wird aus dem Besuch nichts werden, es scheint als wolle es weiter giessen. Der König Ferdinand interessiert sich selbst während des Feldzuges für Pflanzen. Er hat Pflanzen sammeln lassen, die er in Sofia kultiviert, an meinen Freund Schneider in Wien, den Dendrologen, hat er zwei Juniperus zum Bestimmen eingeschickt und mir hat er vor 14 Tagen die Ansicht eines Olivenbaumes geschickt. Auch meinen Kindern hat er sehr lieb geschrieben. Ich habe Ihnen wohl erzählt, dass der König a 1903, 1904 und 1905 oft nach La Mortola kam. Wie es scheint freut er sich sehr, dass er nun auch an das Mittelmeer kommt. Er wollte sich früher an der Riviera ankaufen, jetzt kann er sich selber eine Riviera anlegen.||
Ich arbeite gegenwärtig an Agaven; ich will das Buch Beiträge zu einer Monographie nennen. Es wird bei Fischer in Jena erscheinen. Dann soll es mit aller Macht an die Mesembrianthemen gehen für Englers Pflanzenreich.
Haben Sie Strasburger’s dritte Auflage der Streifzüge an der Riviera erhalten? Es war doch zu traurig, dass dieser ausgezeichnete und seelensgute Mann so früh verstorben ist. Als er voriges Frühjahr von Mentone heraufkam, sagte er mir: „Ich komme, um Ihnen Adieu zu sagen, ich werde nicht wiederkommen.“ Ich glaubte er wollte abreisen, aber er sagte mir, er fühle es ginge zu Ende und es sei auch ganz gut so. Es wurde mir schwer ihm zu glauben, ich versuchte ihn umzustimmen, aber er bestand || darauf. Dann kam er noch zwei Mal. Und weniges nach seiner Abreise war er in Bonn eingeschlafen für immer. Wir haben um ihn geweint wie seine Kinder, und wir fühlen seine Lücke sehr.
Sein Sohn war vor 14 Tagen in Mentone und seine Tochter wird wohl demnächst kommen. Auch Strasburgers Bruder, Schwester und Schwager waren in Mentone, so dass wir nun fastb die ganze Familie kennen gelernt haben.
Ich danke Ihnen noch recht herzlich für die interessanten Drucksachen, die Sie so freundlischst mir geschickt haben. Wir finden Ihr letztes Bild ausserordentlich gut getroffen, es hat uns das ganz besondere Freude gemacht.
Wir verbleiben Ihnen mit vielem Danke und den besten Wünschen für Ihre Gesundheit und den herzlich-||sten Grüssen an Sie und Ihre Frau Gemahlin
Ihre sehr ergebene
Alwin & Elise Berger.
a gestr.: um; b eingef.: fast