Jena, am Tag vor Charfreitag 1919.
Ew Excellenz!
Die Übersendung der reichen Gabe am gestrigen Tag hieß aber eine ganz kleine Aufmerksamkeit aus der Fülle eines reichen Lebens u. Schaffens königlich belohnen! Mein Junge u. ich freuen uns herzlich an den gütigen Zeilen, den sehr künstlerischen Blättern u. den Büchern, die uns noch manche Stunde erfreuen u. erbauen werden. Nehmen Sie unseren herzlichsten Dank für all das, was wir stets in hohen Ehren halten werden.
Aber heißt „Künstler“ sein denn nicht „mit neuen Augen Gesehenes gestalten?“ Und haben Sie das nicht ganz besonders getan? Ich wüßte nicht, was ein so herrliches Blatt, wie das vom Nurellia || See z. B. großzügiger u. klarer, zarter u. sachlicher, stimmungsvoller zugleich, besser gestalten könnte?!
Und diese wundervollen zartesten Fledermausköpfe, wie für eine Wolfsschlucht plastisch gezeichnet! Vielen herzlichen Dank! Daß Sie meines guten Vaters gedenken Excellenz, war mir eine besondere Freude. Er hat in den Kollegs, oder nachher, all die Vorträge sauber nachgeschrieben u. mein Bruder besitzt dieselben alle noch. Mit meinem Bruder sprach er fast ständig, während seines Studiums dann besonders, die Sachen durch u. die frühzeitige Anregung, die ihm mein Vater durch die erworbenen Kenntnisse geben konnte, haben meinen Bruder wohl viel geholfen, ein guter Arzt aus innerstem Interesse zu werden. || Nicht wahr, das ist der Geist, der besteht u. weiterwirkt, wie ein Samenkorn in der Erde!
Und wenn ich Ihnen nun mit ein paar Osterblumen aus dem Walde, ein paar Ostereier (frische) zuschicke, so ist die Annahme diese Ostergrüßleins mir eine besondere Oster- u. Frühlingsfreude die keines Dankes bedarf.
Mit vorzüglichster Hochachtung
Ihre
Ihnen sehr ergebene
Marta Bergemann-Könitzer