Moriz Benedikt an Ernst Haeckel, [Wien], [März 1918]

Geehrter Meister!

Sie erhalten – wohl gleichzeitig – einen II. Offenen Brief, der auf Sie hoffentlich einen psychisch erfreulichen Eindruck machen wird u. Sie darüber beruhigen wird, dass selbst eine abweichende Ansicht, wie die meinige über Ihren „Stammbaum“ des Menschengeschlechts die unsterbliche Bedeutung dieses Stammbaums begeistert anerkennt. Dass wird Ihnen vollendet paradox erscheinen. Es wird Ihnen aber aus dem II. Offenen Briefe klar werden. Ich würde Sie mit dem „Offenen Briefe“, der naturlich eine litterarische || Publicität erfahren wird, ebenso wie Ihre Antwort auf den ersten, Sie nicht belastigen, wenn ich mit Ihnen Ihr Schicksal für so verzweifelt ansehen würde, wie Sie. „Moriturus“ gewiss, aber nicht so bald!

Anbei schicke ich Ihnen einen therapeutischen Rat, der Ihnen hoffentlich gegen Ihre Herzschwache gute Dienste leisten wird. Ich „fühle mich gedrangt in dem Kampfe um Ihr so werthvolles Dasein“ mitzuhalten.

Ihr begeisterter Verehrer

Pf Moriz Benedikt ||

Faradisation des Herzens bei Herzschwache.

Breite feuchte Rheophor am Sternum, Betupfung der ganzen Herzfläche – nacheinander die verschiedenen Stellen – mit dem Pinsel als zweiter Rheophor.

Die ganze Manipulation etwa drei Minuten, an jeder Stelle mit grade || fühlbarer Intensitaet.

Benedikt ||

P. S.

Wie jetzt schon in weiteren Kreisen bekannt ist, ergeben Pendel u. Rute eigenartige „Monogramme“ über Handschriften, u. Photographien, wie mit der Rutea in Vivo über dem Individuum am groessten Theile des Koerpers selbst (Koerperrutenausschlag)b.

Ich habe diess auch in meiner Monographie Ruten- u. Pendellehre mitgetheilt: Das Durchschnittsrutenmonogramm des Erwachsenen || 380°. Bei Denk- u. Gefühlsanstrengungen steigt dieser Ausschlag, besonders über dem Kopfe und auch in der Handschriftc.

Auf Ihrer Karte vom 1/2 des Jahres, da Sie „durch Familienangelegenheiten sehr in Anspruch genommen“ waren betrug der Ausschlag über Ihrer Handschrift, so hoch wie ich ihn bisher nicht beobachtete, 500°.

Über Ihrem Briefe vom 28/2, der Sie gewiss auch schon in Anspruch nahm 440°. Er ist wohl auch in der Ruhe d hoch. Auf einer guten Photographie von Ihnen dürfte Ihr regularer Ausschlag zu ersehen sein. – Verte ||

Der Ausschlag bei Rembrandt, den ich an seinen Bildern in den hiesigen Museen, an seinen Handzeichnungen in unserer berühmten Sammlung in der „Albertina“ u. an Photographien studierte war 450°

Viel individueller ist der Pendelausschlag (Pendelmonogramm). Bei Ihnen bekomme ich, wenn iche mit der rechten Hand pendle, 1) einen linksgedrehten Kreis, dann 2) eine Linie u. 3) einen rechtsgedrehten Kreis mit starken u. weiten Schwingungen. Das Monogramm von Rembrandt, das wohl einzig individuell ist, ist folgendes: || 1) linksgedrehter Kreis 2) Linie 3) linksgedrehte Ellipse u. 4) rechtsgedrehter Kreis. Das ist kein phythagoreischer Mysticismus oder Kabalismus, sondern sind reale, malitioese Naturthatsachen. Die Natur ist eben so matatioes [!], fortwahrend neue Raethsel aufzugeben, von denen die Schulweisheit sich nichts traumen lasst. Mein Pendelmonogramm ist ein einfach links gedrehter Kreis.

Vale et fave

B.

a eingef.: mit der Rute; b eingef.: (Koerperrutenausschlag); c eingef.: und auch in der Handschrift; d gestr.: sehr; e eingef.: ich

Brief Metadaten

ID
7302
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Österreich
Entstehungsland zeitgenössisch
Österreich-Ungarn
Datierung
1918.03.03. [laut EH]
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
8
Umfang Blätter
4
Format
13,3 x 17,2 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 7302
Zitiervorlage
Benedikt, Moritz an Haeckel, Ernst; Wien; 1918.03.03. [laut EH]; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_7302