Ernst Wilhelm Benecke an Ernst Haeckel, Straßburg, 16. März 1885

Strassburg d. 16t März 1885.

Hochgeehrter Herr College,

das ist ja eine Schwergeburt, die Besetzung der Mineralogen- und Geologenstellen bei Ihnen! Darüber sind wir wohl alle einig, daß es heutigen Tages unmöglich ist einen Mann zu finden, der nach allen Richtungen Gleiches liefert und da muß man irgend wo zusetzen, es fragt sich nur wo? Prof. Nies, dessen Namen Sie in Ihrem freundlichen letzten Schreiben nennen, ist mir gut bekannt, ich sehe ihn jährlich auf den Versammlungen unseres oberrheinischen geolog. Vereins. Es liegen von ihm einige hübsche stratigraphische Arbeiten aus früherer Zeit || vor, die sich durch saubere Behandlung auszeichnen. Mineralogie liest er jedenfalls, hat aber mineralogisch, so weit meine Kenntniß reicht, nichts gearbeitet. Soll er klassificiert werden, so gehört er gar nicht unter die „Allgemeinen“. Palaeontologie hat er niea specieller getrieben. Außerdem ist man weit hoch in den Vierzigern, so taxire ich Nies, in der Regel nicht mehr sehr entwicklungsfähig um Ihren Ausdruck zu gebrauchen. Nies ist ein liebenswürdiger Mensch, den ich persönlich gern mag, allein ihn für Jena zu nennen, wäre mir nicht im Traume eingefallen. Das || wäre unrecht gewesen gegen Eck, Weis u. A. auf die ich früher nicht einging als ferner liegend. Die Liste der Mineralogen ist sehr eigenthümlich. Katrein!! Lüddecke hat einige krystallographisch resp. mineralogische Arbeiten gemacht. Der gänzliche Mangel irgend eines allgemeinen, weiter gehenden Gesichtspunktes hat sein Fortkommen von Halle bisher stets verhindert.

Oebbecke ist jedenfalls von den dreien der tüchtigste, hab aber noch sehr wenig gemacht und lediglich petrographisches.

Auffallend ist, daß Groth ihn empfiehlt, da er Petrographie, also geologische Mineralogie, perhorresziert – wollte ich boshaft sein, könnte ich auch vielleicht auf eine Erklärung || kommen. Unter allen Umständen wären andere Petrographen vor Oebbecke zu nennen.

Mein College Bücking, den Groth für einen seiner besten, wenn nicht besten Schüler hält, ist in Beziehung auf die Besetzung Ihrer Stelle ganz meiner Ansicht, besonders auch in Beziehung auf Kleinmann. – Daß ich ganz allgemein die Bedeutung xstallographischen Untersuchungen nicht unterstütze, brauche ich kaum noch besonders zu betonen. Nur neben einem Chemiker und Physiker noch einen Xstallographen als Hauptfach, dasb ist, wo nur hier eine neue Stelle ist, gegenüber Zoologie und Botanik durchaus unpassend.

Mit bestem Dank für das Vertrauen, welches Sie mir in dieser Angelegenheit bewiesen haben.

Ihr hochachtungsvoll ergebener

Beneckec

a gestr.: nic, eingef.: nie; b gestr.: xxx, eingef.: das; c Schlußworte („Mit bestem Dank … Benecke“) vertikal am linken Rand von S. 4

Brief Metadaten

ID
7279
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsland aktuell
Frankreich
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
16.03.1885
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
13,5 x 20,9 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 7279
Zitiervorlage
Benecke, Ernst Wilhelm an Haeckel, Ernst; Strassburg (Strasbourg); 16.03.1885; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_7279