Conrad Keller an Ernst Haeckel, Zürich, 8. Juli 1908

Zürich, dℓ. 8. Juli 1908

Hochverehrter Freund u. College!

Sie stehen vor glänzenden Festen, die in Ihrem Jena begangen werden und wobei Sie wie recht u. billig den geistigen Mittelpunkt bilden werden.

Die Einweihung des phylogenetischen Museums, dessen Platz ich mir vor einem Jahr gemerkt habe, ist für Sie ein Ereigniss, auf das Sie mit Stolz blicken dürfen.

Jena geht mit gutem Beispiel voran u. eigentlich sollte jedes zoologische Museum phylogenetisch aufgebaut sein.

Ich hatte mir bestimmt vorgenommen, bei diesem Anlass nach Jena zu kommen, um meinem lieben alten Lehrer die Hand zu drücken. Leider wird mir dies nicht möglich sein.

Genau zur gleichen Zeit findet in Genf der Internationale Geographen-Kongress statt, an welchem ich theilnehmen muss.

Ich bin Mitglied des Comités, ausserdem muss ich als Präsident || der zürcherischen Geographischen Gesellschaft die Delegation übernehmen u. bin überdies noch zu einem Vortrag eingeladen. Die Kollision thut mir sehr leid. Freund Lang wird Ihnen indessen die Glückwünsche von Zürich überbringen; ich kann dies nur schriftlich thun.

Bei diesem Anlass hätte ich Ihnen gern eine phylogenetische Schrift überreicht, doch kommt sie erst zu Ende des Jahres heraus.

Die Verlagsfirma Teubner in Leipzig hat mich gebeten, für einen grösseren Leserkreis die Stammesgeschichte der Haustiere in populärer Weise zu bearbeiten u. ich habe ihm [!] zugesagt, weil man sich seit einiger Zeit sehr für den Gegenstand interessiert. Sie werden die Arbeit jedenfalls noch in diesem Jahre erhalten. Wenn sie übrigens in Ihrem || neuen Museum der Phylogenie der Haustiere ebenfalls gedenken, was mir wahrscheinlich erscheint, so kann ich Ihnen zu passender Zeit einen Beitrag stiften durch die Haustierfauna der Pfahlbauzeit und der römischen Zeit. Haustier-Reste aus der römischen Periode sind bis in die Neuzeit wenig bekannt geworden; Ich habe aber ein reiches Material.

Hier in Zürich geht Alles seinen gewohnten Gang. Den Frommen ist es etwas unangenehm, dass der hiesige Platz der modernen Richtung huldigt u. so haben sie neulich den Bekannten Dennert verschrieben, um zu bremsen. Er hatte sehr wenig Glück u. sein „Sterbelager“ ist besiegelt.

Indem ich nochmals ungemein bedaure, nicht nach Jena kommen zu können, sende ich meine besten Wünsche zum frohen Feste und verbleibe mit herzlichen Grüssen

In alter Ergebenheit

Ihr getreuer

C. Keller

Brief Metadaten

ID
6779
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Schweiz
Entstehungsland zeitgenössisch
Schweiz
Datierung
08.07.1908
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
3
Umfang Blätter
2
Format
13,5 x 21,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6779
Zitiervorlage
Keller, Conrad an Haeckel, Ernst; Zürich; 08.07.1908; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_6779