Bothe, Margarete

Margarete Bothe an Ernst Haeckel, Budapest 28. Januar 1916

Budapest 28.1.16.

Mein lieber, guter, einziger Freund!

Da ich den letzten Brief, glaube ich, die neue Adresse beizufügen vergessen habe, schreibe ich lieber noch einmal und ich tue es ja auch so gerne.

Soeben war ein Feldmarschall Lt. Török hier und sah nach ob alles in Ordnung ist, er lobte sehr meine Abteilung und dankte mir für meine Menschenliebe, dies hat mich froh gemacht.

Noch einmal danke icha Ihnen lieber Freund für den Gruß von Herrn Hofrat Baracs. Da ich doch hier fremd bin, macht es mir Freude, von so lieben Menschen wieb die Familiec Baracs ist, ins Haus geladen zu sein., Und sie sind stolz, eine Freundin von || Herrn Häeckel bei sich zu wissen. Und schauen mich armes Wurm an, als wäre ich ein kl. Wunder. Dies ist lustig, gelt?

Anbei sende ich ein Wunder der Natur, ist dies denn möglich?

Malen Sie noch oft lieber Herr Häeckel, sind Sie immer noch so fleißig, als wie ich dort war?

Von meinem Krankenhausfensterd kann ich die Bahn übersehen, seit gestern gehen Züge mit deutschen Soldaten, sie jubeln und sind so froh.

Und wie wohl tut es mir, deutsche Grüße zu hören. Wenn ich in Budapest deutsche Brüder d.h. deutsche Soldaten sehe, möchte ich auf jeden zugehen und ihm ein letztes, liebes deutsches Wort sagen. ||

Das Wetter ist hier sehr schön, so mild und viel Sonne. Wie ist es dort? Nach den Zeitungen gutes Wetter. Nun denken Sie lieber Freund ich habe meine Kette mit Anhängsel verloren, doch glaube ich gestohlen. Ich bin sehr traurig, das Anhängsel war ein altes Erbstück. Aber der größte Schmerz ist der, Ihre mir so unsagbar wertvollen Barthaare waren darin. Dies kann ich fast garnicht ertragen. Nun hat mich mein guter Stern verlassen? Ich habe fast nicht den Mut Sie lieber Freund noch einmal darum zu bitten. Ich habe es sofort gemeldet, auch meine goldene Uhr ist verschwunden, doch dies ist zu ertragen.||

Mein Mann schreibt von Meran trostlos, nur noch 8000 Einwohner. Keine Glocken dürfen leuten, kein Konzert. Nicht mal das Notwendigste zum essen ist vorhanden. Wie soll das Blutbad enden? Mein schönes, liebes Meran. Schreiben Sie mir bald und ausführlich ich sehne mich so sehr danach. Wie schön wird unser Wiedersehen sein. Ich freue mich darauf unendlich. Ich schreibe diese Zeilen im Dienst. Nun grüße ich Sie innig und herzlich und küsse Siee im Geiste aus dankbarer Liebe immer Ihre Sie so liebhabende

Margarete Bothe

Budapest, Ráday ut 26. III 10 Tür

Wenn der Brief von Prag zurück gekommen ist, der hier auch zum roten Kreuz gegangen und aus versehen zurück ging, bitte mir zusenden.

a eingef.: ich; b gestr.: hier, eingef.: wie; c irrtüml.: Famiele; d korr. aus: Krankenhausfester; e eingef.: Sie

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
28.01.1916
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6529
ID
6529