Margarete Bothe an Ernst Haeckel, Budapest, 21. Dezember 1915

LÁBADOZÓ SEBESÜLTEKET ELHELYEZÓ BIZOTTSÁG

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Budapest 21.12.1915 Hotel Adria

Mein lieber guter Herr Häeckel!

Soeben schreibt mir Herr Bankdirektor, daß ein Brief von Ihnen lieber H. Häckel mir nach hier nachgesandt wurde. Nach meinen Nachfragen sagte mir R. K.b Postverwaltung daß der Brief aus versehen nicht angenommen wurde. Ich bin sehr traurig darüber, daß mir ein so lieber Brief von Ihnen verloren gegangen ist und bitte ich Sie innig und herzlich mir den selben noch mal zu senden falls er zurück kommt. Da hier die Verwaltung sehr schlecht ist, ist es vieleicht [!] besser, wenn Sie mir hier in ein mir bekanntes Hotel Adria Budapest schreiben. Dort lasse ich mir meine Briefe abholen. Wie mag es Ihnen gehen? Diese Sorge liegt mir sehr schwer aufc dem Herzen; aber ich will ja so gerne hoffen, daß es Ihnen gut geht.

Auch ich bin gesund, obwohl ich einen ziemlich schweren Stand hier habe. Man will gern hier in den Nebenabteilungen deutsche Ordnung haben und man hat mich über verschiedene kleine Villas gesetzt wo Verwundete und Kranke untergebracht sind. So bin ich nie auf derselben Stelle, bald hier, bald dort.

Aber wenn ich auch dabei nicht gut weg komme, doch fühle ich. wie mir die armen Kerle dankbar sind. Hier fehlt es oft am allernötigsten. Man läßt die armen Kerle fast um –. Ich darf ja nicht schreiben wegen Zensur; aber erzählen will ich Ihnen einmal, wie alles hier zugeht. Oft bricht mir fastd das Herz wenn ich soviel Jammer sehe, und mir zur Hilfe die Hände gebunden bleiben, denn deutsche Ordnung ist sehr schwer hier hinein || zu bekommen. Nun etwas fröhlicheres, das liebe Weihnachtsfest steht vor der Tür. Was möchte ich nicht alles Liebe und Gute Ihnen mein lieber, guter einziger verstehender Freund wünschen. Aber was sind Wünsche, was nützt es, wenn ich das Herz davon voll habe, und doch nicht in Erfüllung bringen kann. Aber was eine Frau einem Mann dem sie aus tiefstem Herzensgrunde liebt und verehrt wünschen kann, möchte ich Ihnen wünschen. Doch mein größter Wunsch bleibt, daß wir uns Wiedersehen. Wie schön, wenn es ein Wiedersehen sein möchte, wo die Friedensglocken durch das Welttal läuten. Ich hoffe, daß es sein möchte, doch – Gottlob hier sind die Menschen alle voll Siegeszuversicht. Es ist schön, so treue Liebe zum Vaterlande im Ärmsten zu finden. Erst gestern wollte ich einem Trost zusprechen, da sagte er mir liebe Schwester, wenn ich nur bald ein Bein bekommen möchte, ich möchte zur Maschinenabteilung, der Mann hat 9 Wunden, darunter Bauchschuss. Sie wissen meine Meinung, doch wo ich fühlte, daß es diesen Ärmsten aus tiefstem Herzen dieser Wunsch kommt, glaube ich an den Übermenschen von Nietzsche

Das sind Helden, Menschen die unglaubliches aus Menschenliebe tun wollen. Am Anfang zwingt man Sie zu gehen, dies verstehe ich; aber wenn einer all das Elend die ganze Zeit mit gemacht hat und dann noch wünscht, wenn es nicht nötig ist, hinaus zu gehen. Dies ist Übermenschliches. Oder sagen Sie, denke ich recht? Mich zwingt die Liebe u. das Gefühl ich kann helfen (dazu) wunden zu heilen, daß zu tun, was ich tue. Tue ich recht? Es giebt Verwandte welche darüber bös sind, solche die alles nehmen wollen und nichts geben. Ich habe gehört, daß auch Ihr gutes Herz Sie geleitet hat, Gutes zu tun und dem roten Kreuz Mittel überwiesen haben. Nun leben Sie wohl mein guter Freund und denken Sie, daß Sie eine Frau überglücklich machen, wenn Sie ihr ein paar Zeilen schreiben. Nun erleben sie das schöne Fest recht froh und vor allem recht gesund. Bitte wenn Sie Feldpostmarken verwenden, würde ich dankbar sein. Nun grüße und küsse ich im Geiste Sie oft und viele male und bleibe immer Ihre treue Freundin

M. B.

Einigemale haben Sie liebe Freundin geschrieben, warum nicht weiter so, mich hat dieses Wort sehr froh gemacht.

a egh. Notiz Haeckels: x (Frau Margarete Bothe (aus Meran)); b darüber: Rote Kreuz; c korr. aus: am; d eingef.: fast

Brief Metadaten

ID
6524
Gattung
Brief ohne Umschlag
Institution von
Lábadozó Sebesülteket Elhelyezö Bizottság
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Ungarn
Entstehungsland zeitgenössisch
Österreich-Ungarn
Datierung
21.12.1915
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
2
Umfang Blätter
1
Format
22,5 x 29,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6524
Zitiervorlage
Bothe, Margarete an Haeckel, Ernst; Budapest; 21.12.1915; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_6524