Margarete Bothe an Ernst Haeckel, Jena, 2. August 1915
HOTEL DEUTSCHES HAUS EDUARD HEYNE
JENA, DEN 2.8.1915
Mein lieber, guter Herr Haeckel!
Nun sende ich Ihnen die letzten Blumen von hier, mit herzlichen Abschiedgrüßen.
Heut war ich im Forst, es war so wunderschön. Meinen Brief habe ich erhalten, mir war heut auch nicht ganz wohl; aber morgen soll und muß die Reise weiter gehen. Ich kann mich so schwer von hier losreißen.
Aber einmal muß es sein, einmal muß ich mich losreißen und so will ich gehen und wie der Dichter sagt
–
Will Dich im Schlaf nicht stören –
Wäre schad um Deine Ruh’,
sollst meinen Tritt nicht hören –
Sacht, sacht die Türe zu!
Keinen wirds den Schlaf vertreiben
Daß ich am Morgen weiter geh!
Sie konnten’s halten nach Belieben
Von einem aber tut’s mir weh.
–
Lieb hab’ ich Sie immer gehabt, aber wie ich Sie jetzt lieb gewonnen habe, so schön habe ich es mir doch nicht gedacht. || Lieber Herr Häeckel wie ich Ihnen erzählt habe, hat der H. Abarth mich gebeten, doch von Ihnen ein klares Urteil zu hören; aber sehen Sie wenn ich es ihm sage, wird er vieleicht [!] denken ich habe nicht mehr mit Ihnen gesprochen. Er hatte mich so sehr gebeten, Sie zu bitten einen Brief zu schreiben, daß Ihnen die vorgelegte auf patriotischer Grundlage beruhenden Arbeiten des Hauptmann Abarth gefallen und das er noch Ihre Meinung fördernswert und im Interesse der Sache ihm Zugang zu amtlichen Quellen zu verschaffen. Er denkt und hofft mit seiner Arbeit die Liebe im Volke zum Vaterlande zu heben und zu befestigen. Ich weiß nun ja Ihre Meinung, aber bitte schreiben Sie mir einen Zettel den ich dem Hauptmann senden kann. Anbei hat er mir noch ein Gedicht aus der Arbeit gegeben, daß Sie lesen möchten. Es ist mir eigentlich schrecklich, daß ich mit so viel bitten komme; aber wenn ich wieder denke was der Mann gelitten a und eine so große Freude an der Arbeit hat, habe ich nicht den Mut ihm das so zu schreiben. Dann möchte ich Sie herzlich bitten die paar Karten zu unterschreiben, ich bin so sehr darum gebeten worden. Bitte mir Antwort zu schreiben, mein Zug geht um 11 Uhr. Nun danke ich nochmals für alle, alle Güte und möge Sie das gütige Geschick gesund und froh erhalten, daß ich Sie Wiedersehe. Dieser Gedanke giebt mir Mut, daß ich endlich gehe.
Ich küsse Ihre lieben, guten segensreichen Hände immer
Ihre dankbare Marg. Bothe.||
Was sie sagen.
1.Ich lüge nie auf Ehrenwort, sagt Rußland
Ich spreche die Wahrheit immerfort, sagt England
Ich rede immer klar und grad, sagt Frankreich
Ich schweige und rede durch die Tat, sagt Deutschland
II. Den Krieg den führ ich noch fünf Jahr, sagt Frankreich
Ich für in zehn, das ist klar, sagt Rußland
Ich führ ihn zwanzig, ganz gewiß, sagt England
Ich führ ihn bis er fertig ist, sagt Deutschland.
3. Stark ist mein Arm, und groß mein Mut, sagt England
Ich schlag den Gegner bis auf’s Blut, sagt Frankreich
Ich schlag ihn ganz allein entzwei, sagt Rußland
Drum kämpfen achte gegen zwei, sagt Deutschland
4. Deutschland ist das ärmste Land der Welt, sagt Rußland
Es hat nicht einen Pfennig Geld, sagt Frankreich
Nicht einen Kreuzer, glaubt es mir, sagt England
Die Kreuzer holen wir uns von dir, sagt Deutschland
5. Die Deutschen sollen in Brüsseln sein, sagt Rußland
Sie nahmen längst Antwerpen ein, sagt England
Mich dünkt die kriegen immer mehr, sagt Frankreich
Ja Krieg der kommt vom kriegen her, sagt Deutschland
6.Wir schlagen Deutschland eh mans glaubt, sagt England
Wir schlagen auch direkt aufs Haupt, sagt Rußland
Wir schlagen bis das Her auch bricht, sagt Frankreich
Du kennst mein Herz noch lange nicht, sagt Deutschland.
7. Wir sind schon halbwegs in Berlin, sagt Frankreich
Bald werden wir durch die Linden ziehn, sagt Rußland
Das Kaiserschloß wird unser Sitz, sagt Rußland
Auf Wiedersehen in Döberitz, sagt Deutschland
8.Barbaren sollen die Deutschen sein, sagt Rußland
Sie schlagen alles kurz und klein, sagt Frankreich
Sie haben schon alles kleinb gekriegt, sagt England
Bloß deine große Schnauze nicht, sagt Deutschland
9.Ich schicke zweihunderttausend Mann, sagt England
Mit 500 000 rücke ich an, sagt Frankreich
Mit unseren Millionen haun wir sie durch, sagt Rußland
Wir schicken Einen Hindenburg, sagt Deutschland.
Ist dies nicht lustig?
Bitte dies zu lesen und so herzlich zu lachen wie ich, wo so große Hoffnung im Volke ist, wie in diesem Worten, wollen auch wir hoffen.
In herzlicher Liebe immer Ihre ganz dankbar ergebene
Marg. Bothe
Anbei die 2c Blätter die ich gestern fand.d
a gestr.: hat; b irrtüml.: kein; c eingef.: 2; d egh. Notiz Haeckels: (Gingko biloba) Jena 3.8.15.