Margarete Bothe an Ernst Haeckel, Meran, 16. Februar 1915

Mein lieber, lieber Herr Haeckel!

Endlich ist der Tag gekommen, auf welchen ich mich schon seit Wochen freue. Froh und schön soll dieser Geburtstag sein an dem ich Ihnen lieber Herr Haeckel alles Liebe und Gute zujubeln möchte, alles das wünschen, was man einen Menschen den man so liebt und hoch verehrt wünschen kann.

In welche Siegesreihe und Kampfesfreudige Zeit fällt er dieses mal. Es ist fast wie ein Sinnbild.

Voll Kampf war auch das Leben; aber Sieg auf Sieg folgte diesem freudigen Ringen und heute stehen Sie Lichtumflossen am 81. Geburtstage wie ein Menschengott unter uns Menschen.

Ihr Leben war und ist eines Helden und ganzen Mannes gewesen, wie ich mir einen deutschen Mann träume ./.

Ach, wie viele möchten nicht ein Ganzes sein und bleiben doch immer nur ein Halber. Gewiß, keiner von uns kann seiner Länge einen Zoll, geschweige eine Elle zusetzen; aber sein natürliches Maß ausfüllen wollen, seine Kraft vollständig in Anwendung bringen, die Dinge festen Blickes anschauen, und das Erkannte ganz und rückshaltlos aussprechen, das kann Jeder. in diesem Sinne ein Halbes zu sein ist Schwach. Wie wenige trachten ein Ganzes zu sein, obwohl es notwendig, Menschenpflicht ist.

Darum blicke ich auch zu Ihnen lieber Herr Haeckel voll und ganz empor, denn sie sind uns ein gutes Beispiel. Ihr Forschen und Denken ist das beste Erbe, was Sie uns einst zum Andenken lassen. Ihr Name wird wie ein Stern am Himmel leuchten jetzt und all den Kommenden.

O, gebe es einen Haeckel Frauenbund, wie gern möchte ich dabei sein, und mein ganzes Leben diesem Bunde widmen.||

Nun grüße ich Sie innig und herzlich und freue mich unendlich auf einen Brief von Ihnen und bleibe immer Ihre Sie so lieb habende, ergebene

Margarete Bothe Meran Villa Driburg.

An Haeckel!

O, heute will ich lustig sein,

Will trinken froh ein Glas von Wein,

All mein Leid will ich zerschlagen,

Lieder sollen klingen, niemals Klagen.

Dich mein Haeckel und der Erde Lust,

Trotz ich all den Teufeln in der Brust.

Ich dein Lehrling, du mein Meister

Vor dir fliegen alle Lügengeister,

Bricht auch die dunkelste Nacht herein,

Ringen mit mir auch böse Gespenster, ich lache Dein.

Sie erklären mir deinen Becher voll entsetzen,

Daß ich niemals soll daran letzen,

Ach, ich bin schon längst auf Deines Stromes Grund,

Und fühle mich dabei so fröhlich und gesund.

M. Bothe.||

Haeckel!

Haeckel du wohnst nicht außer mir,

Du schlummerst tief, tief in mir. Nur ein Entschluss

Des edlen Geistes, seiner wert und groß und gut zu sein.

Und jähling wächst Du auf. O, Du wie nenn ich dich?

Du Menschengott, Du viel u. hoch Verehrter! Klug

Nennen Dich die Weisen, ich vergehe, grüße und liebe dich.

M. Bothe

Haeckel als Sonne gedacht!

Der Sonne gleichst Du ungeteilt, Du glühst!

Und zündend Du Deine Strahlen sprühst!

Dein Herz, an ew’ger Liebe reich,

Es ist Dein Herz der Sonne gleich,

Der hohen Strahlenspenderin

Die ob sie gleich Verschwenderin

Mit ihrem Licht und Glanz

Doch immer schön und ganz.

So bist auch Du mein Haeckel, für Menschenglück

Gabst Du Dein Herz, Stück für Stück

Für aufgeklärte Menschen Leben

Hast du Dein Forschen und Denken hingegeben.

M. Bothe

Brief Metadaten

ID
6507
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Italien
Entstehungsland zeitgenössisch
Österreich-Ungarn
Datierung
16.02.1915
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
18,5 x 18,7 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6507
Zitiervorlage
Bothe, Margarete an Haeckel, Ernst; Meran; 16.02.1915; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_6507