Otto Borngräber, Halle, 12. Februar 1900

Halle, Wilhelmstr. 10, d. 12.2.1900

Hochverehrter Herr Professor!

Da ich jetzt mit der Einschiebung einzelner Partien fertig bin, erlaube ich mir, Ihnen das Vorwort zurückzuschicken, mit der Bitte, es so bald als Ihnen möglich, doch Herrn Strauß zugehen zu lassen. Ich fürchte nämlich, daß er möglichenfalls doch auch abschreiben könnte, ein Umstand, dem Sie sicherlich durch Einsendung Ihres Vorwortes sowie der glänzenden anderweitigen Kritiken vorbeugen. Da ich nicht weiß, ob selbige noch in Händen Seiner Hoheit des Herzogs sind, erlaube ich mir noch einige Abschriften u. dgl. empfehlende Worte, die ich gerade habe, mitzuschicken, um Sie [!] durch Ihre Hand Herrn Strauß zukommen zu lassen. Sie nehmen es, hochverehrter Herr Professor, einem Ihnen sehr ergebenen, vielleicht in geschäftlichen Dingen unpraktischen jungen Mann nicht übel, wenn ich Sie nochmals bitte, ihm die Sache recht ans Herz zu legen. Denn meine eigenen Versuche sind sehr mißlich. Auf meine ganz bescheidene Anfrage, ob ich ihnen nicht einmal das Manuskript zur Prüfung nur zuschicken || dürfe, erhalte ich regelmäßig von den größeren Verlagen ein Schreiben – oder vielmehr eine gedruckte Formel: Wir bedauern, Ihrem geschätzten Angebot nicht näher treten zu können, da wir wegen Überlastung gegenwärtig nichts erwerben können – eine leere Ausflucht; von den kleineren aber den Hinweis, daß sie das Risiko eines Werkes nicht übernehmen möchten, von dem man vorher nicht weiß, ob es geht. Zwar zweifle ich nicht, daß ein gutes Werk schließlich doch einmal einen Verleger mit größerem Blick und weniger Krämerseele finde, aber ich schaudere offengestanden vor den vielen ärgerlichen Versuchen, die einen verzweifelt machen könnten; und was die Hauptsache ist: der günstige Zeitpunkt für die Publikation geht vorüber. Gerade jetzt fragt man nach Bruno. Jetzt könnte ich auch dem Verleger gern 50–60 Exemplare zum Buchhändler-Nettopreis abnehmen.

Hinsichtlich des Vorworts werden Sie leicht erkennen, daß ich mich fast nur Einschiebungen aus Ihrer trefflichen Adresse, wenig eigener Zusätze (dann in der Regel Citate) zu verwenden erkühnte, da Sie die Freundlichkeit hatten, mir diesen Spielraum zu lassen. Weniger leicht werden Sie sich aber durch das Original durchfinden; daher schicke ich eine klare Abschrift mit, deren Rand Sie, bitte, beachten || möchten. Schwer liegt es in gewissem Sinn auf mir, daß Sie nun vielleicht die ganze Sache noch einmal abschreiben müßten, um sie Herrn Strauß zu schicken. Doch ist es vielleicht nicht nötig, wenn Sie ihm schrieben, daß ich zur Verdeutlichung, und da es Ihnen an Zeit gebrach, das Vorwort von Ihrer Hand noch einmal säuberlich abgeschrieben hätte. Es ist ja auch nur die Wahrheit: es nähme einerseits Ihnen Zeit fort, und andererseits ist es ja im Grunde nur eine Abschrift Ihres kürzeren Vorworts mit verbundener römischera Adresse. Sollte Ihnen übrigens etwas Streichens wert erscheinen, dem ist ja schnell abgeholfen. Jedenfalls möchten Sie, falls Sie mein Manuskript zum Einsenden verwenden, die Randbemerkungen (mit Blei) ausradieren und Ihren Namen zeichnen. Lieber wäre mir’s schon, wenn Sie die Zeit gewönnen, das Ganze nochmals abzuschreiben, obwohl mich diese Zumutung, wie gesagt, recht bedrückt. – Sie werden übrigens auch merken, wie ich in den wenigen eigens zugethanen Sätzen mich Ihrem Stil anzubequemen wußte. Notwendig hielt ich z. B. im Schlußsatz den Hinweis, daß man es nicht mit einem naturwissenschaftlichen Werke zu thun habe, sondern daß die Spitze in dem Kultur- und Menschheits-Ideal liege, das Buch populär sei.

Wie Ihnen die beiliegende Karte aus Jena zeigt, hat das || Werk schon vor der Publikation eine gewisse Berühmtheit. Man fragt schon, wann es erscheine. Es ist möglich, daß ich auf dieses Interesse hin in der nächsten Woche einen Vortrag in der Jenaer philosophischen Gesellschaft halte, vorausgesetzt, daß eine zahlreiche Zuhörerschaft vorhanden wäre und vor allem Sie daran teil nähmen. Es wäre mir eine große Freude.

Vielleicht schreiben Sie, bitte, Herrn Strauß auch, daß Ihnen das Werk gewidmet sei, und daß Sie ev. einen kleinen Hinweis in den Anmerkung der „Welträthsel“ brächten, damit er an dem Risiko weniger Anstoß nehme. Ich wäre Ihnen recht dankbar.

Mit Absicht frage ich noch nicht, wie Seine Hoheit sich zu einer Aufführung stellte. Fast wage ich das Beste zu hoffen, hoffe jedenfalls auf Ihre freundliche Nachricht.

Ew. Hochwohlgeboren

dankergebener

Otto Borngräber

P.S. Noch eine wichtige Kürzung für den Druck: II. Akt 2. Scene (im Inquisitionsgelaß) soll auch im Druck fehlen; damit wird das Risiko noch kleiner und Frl. delle Grazies Wunsch ist erfüllt.

a korr. aus: Röm.

Brief Metadaten

ID
6382
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
12.02.1900
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,2 x 22,3 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6382
Zitiervorlage
Borngräber, Otto an Haeckel, Ernst; Halle; 12.02.1900; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_6382