Otto Borngräber an Ernst Haeckel, Hallo, 9. Februar 1900

Halle a. S., Wilhelmstr. 10, d. 9. 2. 1900.

Hochgeehrter Herr Prof.!

Wenn Sie mir die große Freundlichkeit erweisen, das Manuskript an Herrn Strauß zu schicken, so wollen Sie doch, bitte, bemerken, daß er meinea „Einleitung in das neue Jahrhundert“ nicht mitdrucken möge (es müßte denn sein, daß er es selbst gern will), damit er nicht wie S. Fischer vor der großen Druckarbeit und dem um so größeren Risiko zurückschrecke.

Auch ist meine langatmige Einleitung wohl garnicht nötig, da Ihr straff gehaltenes Vorwort bereits die wesentlichen Momente der Bedeutung von || Giordano Bruno viel präziser zusammenfaßt, zumal Sie mir die große Vergünstigung gestatteten, einiges aus Ihrer trefflichen römischen Adresse einzufügen.

Die Arbeit war – und ist – mir ebenso hochinteressant als schwierig, da ich bestrebt bin, ganz Ihre eigenen Worte zu gebrauchen und sie ohne Durchbrechung des Gedankenkonnexes einzuschalten, so daß der einheitliche Gruß gewahrt bleibt. Doch bin ich ziemlich damit fertig, und schicke Ihnen das Vorwort in den nächsten Tagen nach Jena, mit der Bitte, es von dort an Herrn Strauß zu senden, sobald es Ihnen möglich. Denn ich glaube, selbst wenn Herr Strauß sich nicht für die Art des Litteraturwerkes erwärmen sollte [obwohl es ja doch auch ein philosophisches Werk mit modern naturwissenschaftlicher Tendenz ist und mithin in seinen Verlag durchaus paßt, und obwohl ja auch einige Litteraturwerke, wie || Carmen Silva’s, bei ihm erschienen], er doch schon auf Grund Ihres Vorworts das Risiko übernehmen wird, da er rechnen kann, daß so wenigstens viele, die sich für Ihre Persönlichkeit interessieren, das Buch berücksichtigen; – was ja freilich auch mir nur lieb sein kann; wie auch Ew. Hochwohlgeboren wegen der Widmung. Ich hätte Ihnen das Vorwort bereits geschickt, wenn ich nicht die vorige Woche bis zum Schluß dieser Woche mit zwei umfassenden Vorträgen in der philosophischen Gesellschaft v. Halle – mehr beehrt als beschwert worden wäre („Vorbereitung auf Giordano Bruno aus Kopernikus, Renaissance und Reformation“ und „Giordano Brunos Philosophie u. Bedeutung für Weltgeschichte und moderne Wissenschaft“).

Übrigens einsenden möchten Sie Herrn Strauß meine Einleitung immerhin, damit er sehe, welche beinahe Menschenkraft übersteigende Arbeit es war, einen derartigen Stoff: einen Geist wie Bruno, ein gärendes Jahrhundert, || ein Chaos moderner Zeitfragen und eine eigene Weltansicht – in eine dreistündige Frist, eine hoffentlich auch künstlerisch packende Form zu zwingen. Wenigstens das „Magnum [!] voluisse sat est“ wird er mit jedem um so eher gestehen. Nur möchten Sie ausdrücklich bemerken, daß sie nicht gedruckt werde. Auch die reichhaltigen Anmerkungen wissenschaftlicher Art unterhalb des Textes sollen nicht gedruckt werden, sondern nur in sehr geringer Auswahl zu Schluß des Werkes. Damit Sie nicht zu viel Arbeit mit solchen kleinen Hinweisen von doch wichtiger Art haben, wende ich mich, nachdem Sie an Herrn Strauß geschrieben, auf Ihr Ermessen hin wohl selbst einmal an ihn. Nur möchten Sie kurz darauf verweisen, damit ihn die Masse nicht abschrecke. –

Viel Glück wünsche ich Ihnen – oder vielmehr mir mit Ihnen – bei Sr. Hoheit.

Fast wage ich zu hoffen, daß mir ein Vortrag in Meiningen, und dann glaube ich sicher, auch die Aufführung gewährt werde. Dann griffe auch der Verleger um so leichter zu. Eines stützt das andere; aber die Grundstütze sind Sie. Ich bin nur

Ew. Hochwohlgeboren

dankergebener

Otto Borngräber

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Brief Metadaten

ID
6381
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
09.02.1900
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
11,4 x 18,2 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6381
Zitiervorlage
Borngräber, Otto an Haeckel, Ernst; Halle; 09.02.1900; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_6381