Alexander Braun an Ernst Haeckel, [Berlin, 16. Oktober 1862]

Lieber Freund!

So eben erhalte ich die Nachricht von dem Tode Kiesers, die mich betrübt, nicht nur weil ich dem würdigen Alten ein recht langes Leben gewünscht hatte, sondern auch wegen der Verlegenheit, die nun in Beziehung auf den Nachfolger an der Akademie der Naturforscher eintreten wird. Die Adjuncten der deutschen Akademiea werden wahrscheinlich ebenso uneinig sein, wie die deutschen Staaten, zumal da Kieser keinen Director ephemeridum ernannt hat, der nach altem Brauch gewöhnlich das Praesidium erhielt. In dieser Beziehung findet sich jedoch vielleicht etwas in Kiesers Nachlaß, denn bei der Adjunctenversammlung im Mai 1859 hatb Kieser in einem geschlossenem Briefe seine Wahl eines Director ephemeridum || den Adjuncten vorgelegt, welche aber damals aus politischen Bedenklichkeiten die Eröffnung und Verkündigung nicht für gut fanden, so daß Kieser den Brief geschlossen zurücklegte und als ein Testament für den Fall seines Todes bezeichnete.

Ich weiß nicht, wer in Jena die Kieserschen Angelegenheiten besorgt; wenn Sie es wissen machen Sie doch auf die Wichtigkeit aufmerksam, daß der Inhalt des genannten Wahlbriefesc den Adjuncten der Akademie bekannt wird. Ich wünschte sehr, daß der neue Präsident wieder in Jena oder doch in einem der kleinen Staaten seinen Sitz erhielte, da auf diese Weise allein die Unterstützung von Preußen und Oestreich erhalten würde.

Sie sind, wie ich von Frau Weiß gehört habe, von ihrer schönen || Gebirgsreise glücklich zurückgekehrt und haben sich am häuslichen Herd mit der Frau – anfangs etwas nothdürftig! – eingerichtet. Auch uns hat der Aufenthalt in Thüringen wohlgethan und einige größere Excursionen, namentlich die auf den Inselberg, haben mich sehr befriedigt.

In Salzungen erhielt ich einen Brief von Ihrem Collegen Schleicher, reich an Helleborus-Nachrichten. Ich werde denselben, wie ich hier wieder ein wenig zur Ruhe gekommen bin, beantworten.

Unser Semester ist gestern feierlich eröffnet worden, bei sehr leerem Saal. Es scheint daß eine große Ermüdung mit dem Schluß des Landtages eingetreten ist; dies ist wenigstens die beste Auslegung.

Von Dr von Martens sind leider keine neuen Nachrichten vorhanden, || wenigstens hat Peters keine. Schottmüller ist wieder hier. Wichura verhandelt mit dem Ministerium über die Art der Bearbeitung und Publication der Reiseresultate.

Nun seien Sie von uns allen herzlich gegrüßt und pflanzen sie denselben herzlichen Gruß auf Ihre Frau fort.

Ihr ergebenster

A Braun

a eingef.: der deutschen Ak.; b eingef.: hat; c eingef.: briefes

Brief Metadaten

ID
6298
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Königreich Preußen
Datierung
16.10.1862
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,3 x 22,7 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6298
Zitiervorlage
Braun, Alexander an Haeckel, Ernst; Berlin; 16.10.1862; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_6298