Wilhelm Breitenbach an Ernst Haeckel, Bielefeld, 14. Februar 1917

DR. WILHELM BREITENBACH

BIELEFELD, 14.2.1917

Zastrowstr. 29.

Sehr geehrter Herr Professor!

Zum dritten male begehen Sie während des Weltkrieges Ihren Geburtstag und noch immer ist nicht abzusehen, ob es der letzte während desselben sein wird. Als treuer und dankbarer Schüler bringe ich Ihnen auch in diesem Jahre meine herzlichsten Glückwünsche dar und knüpfe daran die Hoffnung, dass Sie Ihren nächsten Geburtstag wieder im Frieden feiern können oder dass dann doch wenigstens die Friedensverhandlungen offiziell ihren Anfang genommen haben und dass das Getöse der Waffen ringsum verstummt ist.

Infolge Ihres Briefes vom 1. d. M. habe ich Ihnen direkt 10 Exemplare meiner Broschüre zugehen lassen. Die anderen Bücher werden Ihnen von Leipzig aus zugestellt. Ich weiss allerdings nicht, ob von dem „Lebensbild“ noch gebundene Exemplare vorrätig sind. Wenn das nicht der Fall sein sollte, || erhalten Sie broschierte.

Vor einigen Wochen hatte ich Gelegenheit, aus der Bibliothek des verstorbenen Prof. G. Schwalbe Ihr „System der Medusen“ käuflich zu erwerben, das ich mir schon längst gewünscht hatte, nachdem ich bereits Jahre vorher die „Tiefsee-Medusen der Challenger-Expedition“ bekommen hatte. Ich habe die unfreiwilligen Kohlenferien, die seit Montag auf unbestimmte Zeit verlängert worden sind, benutzt, um mich nach langer Zeit wieder einmal in die Organisation der Medusen zu vertiefen.

Mein Bestreben ist es, eine vollständige Sammlung aller Ihrer Schriften zusammen zu bringen. Einen grossen Teil derselben besitze ich natürlich schon und ich hoffe, es wird mir gelingen auch den Rest zu erlangen.

Sehr gespannt bin ich zu erfahren, ob Dr. Heinr. Schmidt Ihnen zum Geburtstage das Manuskript des ersten Bandes seiner Geschichte der Entwickelungslehre hat unterbreiten können, wie er das beabsichtigt hatte. Es würde mich sehr freuen, wenn || er das wirklich fertig gebracht hätte.

An Herrn Prof. Dietrich Schäfer habe ich geschrieben und ihm gleichzeitig ein Exemplar meiner Broschüre übersandt. Zugleich habe ich mich als Mitglied des „Unabhängigen Ausschusses“ angemeldet. Ueber die Erfolge des neuen U-Boot-Krieges wird man erst ein in etwa zutreffendes Urteil fällen können, wenn von unserer Seite amtlich das Resultat z. B. des ersten Monats mitgeteilt wird. Die jetzt durch die Zeitungen gehenden Meldungen sind zu vereinzelt und oft auch ungenau. Wie übrigens noch immer gegen den U-Bootkrieg gearbeitet wird, mag Ihnen folgende Notiz zeigen, die ich aus Wiesbaden erhielt: „Am 31.1. hatte der Nationalliberale Wahlverein zu einem Vortrag des Marine-Oberbaurats Süssengut eingeladen. Er fing damit an, dass ein U-Boot 11 Tage brauche, um nach West-England zu kommen, dann wirke es zwei Tage und fahre sodann wieder zurück, um ins Dock zu gehen. Er schloss mit einem warmen Loblied auf den Kanzler.“ Dieser Herr Oberbaurat scheint im Auftrag Bethmanns herumgereist zu sein, um gegen den U-Bootkrieg Propaganda zu machen, das war in || Wiesbaden die allgemeine Ansicht. Die Zuhörer waren entrüstet und hielten den Vortrag für bestellte Arbeit. Wenn jetzt die U-Boote freie Hand haben, so haben wir das weniger dem Kanzler als den obersten Militärbehörden zu verdanken. Und diese werden von der Waffe wohl auch den besten Gebrauch machen, zum Schrecken unsere Feinde und zum Vorteil unseres teuren Vaterlandes, dessen Not doch einmal zu Ende gehen muss.

Mit herzlichen Grüssen und besten Wünschen für Ihr Wohlergehen auch im kommenden Jahre bleibe ich in alter Treue

Ihr dankbar ergebener

Dr. W. Breitenbach

Brief Metadaten

ID
6183
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
14.02.1917
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,8 x 23,3 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6183
Zitiervorlage
Breitenbach, Wilhelm an Haeckel, Ernst; Bielefeld; 14.02.1917; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_6183