Wilhelm Breitenbach an Ernst Haeckel, Bielefeld, 27. Februar 1916
DR. WILHELM BREITENBACH
BIELEFELD, 27.2.1916
Zastrowstr. 29.
Sehr geehrter Herr Professor!
Herr Erich Ruckhaber, der ein eifriger und sehr geschätzter Mitarbeiter meiner Zeitschrift war, wird Ihnen aus dem Schützengraben vor Riga vor einigen Tagen geschrieben haben. Er wird auch nicht vergessen haben, Ihnen sein Gedicht ‚Durchhalten’ beizulegen, das für die Versammlung des Monistenbundes in Jena bestimmt ist und das einen Apell an die Vernunft enthält. Herr Ruckhaber möchte, wie er mir schreibt, dem Monistenbund gern die Aufgabe zuerteilen, gerade in dieser Zeit eine energische Friedenspropaganda zu unternehmen. So sympathisch der Gedanke an sich ist, so wenig verspreche ich mir jetzt von seiner Ausführung. Jetzt muss erst der Krieg zu einem für unser Vaterland und Volk siegreichen Ende durchgefochten werden, so dass wir in der Lage sind, den Frieden unseren Feinden zu diktieren. Es muss ein deutscher Friede werden, der in sich die Sicherheit trägt, dass || wenigstens in den nächsten Hundert Jahren ein Angriff auf die Kultur nicht wieder gemacht werden kann und dass wir uns ungestört völkisch, kulturell und wirtschaftlich weiter entwickeln können. Wenn nach einem solchen Frieden die freiheitlichen und vorgeschrittenen Organisationen sich der Friedenspropaganda anschliessen wollen, bin ich ganz damit einverstanden. Allerdings darf auch diese Propaganda gewisse Grenzen nicht überschreiten. Gerade dieser Krieg hat ja hinreichend gezeigt, wohin wir gekommen wären, wenn wir den Ratschlägen der Friedens- und Abrüstungsfreunde gefolgt wären. Wir wären einfach glatt überrannt worden. Die Wehrhaftigkeit eines grossen Volkes darf nicht vermindert werden und nach wie vor muss es für jeden Deutschen höchste Ehre sein, dem Heere angehören zu dürfen. Ich meine mit anderen Worten, die Friedenspropaganda darf unter keinen Umständen auf Kosten der Wehrhaftigkeit unseres Volkes betrieben werden.
Im Westen scheint der Krieg in ein neues Stadium einzutreten und wenn in den nächsten Tagen der neue U-Boot-Kampf beginnt, so werden sich die Früchte des-||selben hoffentlich auch bald zeigen. Die Salbaderei des Herrn Wilson wird bald ekelhaft. Ich bin fest überzeugt, dass gerade dieser unerträgliche Schwätzer den Mund halten wird, wenn unsere Heeresverwaltung die angekündigten Massregeln schneidig durchführt. Die ganze Politik Wilsons läuft doch nur darauf aus, einen Vorwand zur Wegnahme der in Amerika liegenden deutschen Schiffe zu finden. Portugal und Italien haben das Räuberstückchen ja nun schon vorgemacht und sie werden zu gegebener Zeit ihre Strafe dafür schon erhalten. Sollte aber Amerika in die Fußstapfen dieser Räuber treten wollen, dann wird hoffentlich der furor teutonicus erwachen und wir werden Mittel finden den Yankees eins auf die Finger zu geben.
Auf das Ergebnis der Jenaer Verhandlungen des Monistenbundes bin ich gespannt. Gewiss werden wieder allerlei schöne Beschlüsse gefasst werden, aber dann wird es wieder mit der Aus- und Durchführung hapern und alles bleibt beim alten.
Wie ist es eigentlich mit Dr. Schmidt’s Eheprozess geworden, von dem Sie mir vor einiger Zeit einmal || schrieben? – Die angekündigten Bücher von Dr. Paul Carus habe ich noch nicht erhalten, ich gebe aber die Hoffnung nicht auf sie noch zu bekommen, da ich vor wenigen Tagen eine Sendung Bücher etc. von drüben uneröffnet erhalten habe, dabei ein interessantes Buch von Prof. Burgess. Die Postsendungen von Nordamerika bis hier laufen jetzt allerdings 5 bis 6 Wochen. Und jetzt werden sie noch längere Zeit gebrauchen, wenn der neue U-Bootkrieg beginnt.
Mit besten Grüssen bin ich in alter Treue
Ihr ergebenster
Dr. W. Breitenbach