DR. WILHELM BREITENBACH
BRACKWEDE, 22.5.12
Sehr geehrter Herr Professor!
Soeben lese ich, daß nunmehr das Phyletische Museum auch offiziell eröffnet worden ist,
leider aber ohne daß Sie dabei waren. Ich will hoffen, daß die Anstalt nun auch dauernd
in Ihrem Geiste geleitet wird und so zu einem Prüfstein der Entwicklungslehre wird.
Mit schmerzlichen Bedauern habe ich vorgestern den Tod Prof. Ed. Strasburgers erfahren.
Der plötzliche || Tod dieses ausgezeichneten Forschers ist ein unersetzlicher Verlust für
die Botanik. Er hatte, wie ich weiß, noch große Arbeiten unter der Hand und hätte wohl
noch manche Frage der Zellenlehre ihrer Lösung näher gebracht. Ich werde ihm, wenn ich
genügendes Material erhalten kann, in der Neue Welt Anschauung einen längeren Nachruf schreiben.
Gleichzeitig lasse ich Ihnen einen Korrekturabzug meiner Kritik des Buches des Herrn de Cyon zugehen, von der ich hoffe, daß Sie || Ihren Beifall findet. Ich hätte ja noch viel mehr schreiben können, allein ich war doch auf den Raum beschränkt. Die Spalten sind noch unkorrigiert, was ich zu entschuldigen bitte.
Herr v. Schimmelmann (unser Dichter Ernst v. Lindenborg) macht demnächst eine Reise nach Rio de Janeiro. Haben Sie dort vielleicht Bekannte, bei denen er eingeführt werden könnte? Ich korrespondiere augenblicklich nur mit Dr. Oswald Cruz, dem Bezwinger des Gelben Fiebers. || Meine anderen brasilianischen Freunde wohnen alle weiter südlich.
Sehr gefreut hat mich das Wiederauftauchen des alten lustigen „Laienbreviers des Haeckelismus“. Ich entsinne mich noch gut des Tages, als Stücke aus ihm im alten Institut vorgelesen wurden. Seit jenen Tagen habe ich es in meinem Besitz gehabt.
Mit besten Wünschen für Ihre Gesundheit und herzlichen Grüßen in alter Treue
Ihr ergebenster Schüler
Dr. W. Breitenbach