Breitenbach, Wilhelm

Wilhelm Breitenbach an Ernst Haeckel, Brackwede, 14. September 1910

DR. W. BREITENBACH

BUCHDRUCKEREI UND VERLAG

BRACKWEDE, 14.9.1910

Sehr geehrter Herr Professor!

Wenn Sie auch noch von Jena abwesend sind, so will ich Ihnen doch schon heute die nachstehenden Zeilen schicken, Sie finden sie dann bei Ihrer Rückkehr vor und ich vergesse die Sache nicht. Auf der Dresdener Versammlung des Monistenbundes ist Dr. Horneffer zum 2. Vorsitzenden gewählt worden. Derselbe Herr hat am 30. Juni 1909 in München in einer grossen Versammlung wörtlich folgendes gesagt: „Ich gebe zu, dass Haeckel in den weitesten Kreisen unendlich überschätzt worden ist. Ich habe es aufs höchste bedauert, dass sich an diesen Namen unmittelbar eine neue Organisation anschloss.“

Diese neue Organisation ist der Monistenbund, dessen Ehrenpräsident Sie noch immer sind. Wenn jetzt der Bund zu seinem 2. Vorsitzenden einen Mann wählt, der sich öffentlich so über Sie äussert, dann möchte ich Ihnen aufrichtig nahe legen, sich zu überlegen, ob Sie noch länger das Ehrenpräsidium beibehalten können. Dass Dr. Unold von Ihren Anschauungen recht weit entfernt ist, werden Sie ja auch wissen. Nach meiner bestimmten Meinung bedeutet die Dresdner Versammlung eine bedauerliche Schwenkung des Bundes und eine Abkehr von den Anschauungen und Prinzipien, die wir bei der Gründung des Bundes im Auge hatten, wenigstens doch wohl Sie selbst, Dr. Schmidt, ich und einige andere Freunde. Im Vorstand des Bundes sitzt auch nicht ein einziger Ihrer Schüler mehr.

Spielen Sie das Präveniere und warten Sie nicht, bis man im Bunde offen sagt, man wolle mit Ihnen eigentlich nichts mehr zu tun haben; schon früher bestand in München einmal || die Absicht ein Rundschreiben zu erlassen, in dem gesagt werden sollte, dass Sie auf die Leitung des Bundes nicht den mindesten Einfluss hätten. Damals ist die Absicht von irgend einer mir nicht bekannten Seite noch vereitelt worden.

Unsere Zeitschrift findet augenscheinlich im Auslande immer mehr Freunde, wenigstens erhalte ich viele freundliche Briefe aus Amerika und anderen Ländern. Der Monistenbund hat kürzlich bei meinem Verleger Barth angefragt, ob er bereit sei, die N. W. A. zu einem ermässigten Preise den Mitgliedern des Monistenbundes abzugeben. Wir haben das aber abgelehnt.

Ich hoffe, dass Sie in den Bergen besseres Wetter haben wie wir es hier am Teutoburger Wald haben. Jeden Tag Regen und wieder Regen, so dass man kaum noch zu einem Gang in den Wald kommt.

Mit herzlichen Grüssen bin ich in alter Treue

Ihr ergebenster Schüler

Dr. W. Breitenbach

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
14.09.1910
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6084
ID
6084