WILH. BREITENBACH
DR. PHIL.
ODENKIRCHEN, 12. Dez. 95
Sehr geehrter Herr Professor,
Für die liebenswürdige Zusendung der beiden Gläser mit Plankton sowie ganz besonders der wundervollen Radiolarien-Präparate von Challenger sage ich Ihnen meinen herzlichsten Dank. Die Collection wird mich immer an den Mann erinnern, dem ich in geistiger Beziehung mehr verdanke wie irgend einem andern, dessen Vorträge und Bücher auf die Gestaltung meiner Weltanschauung einen so durchgreifenden Einfluss ausgeübt haben u. es immer von neuem thun. Da mir Dr. Gräffe aus Triest einige in Formol prachtvoll conservirte Gläser Plankton geschickt hat, so habe ich nun ein reiches Material für Demonstrationszwecke und zur Anfertigung von mikroskopischen Präparaten.
Seit einigen Tagen liegt auf meinem Tisch Zittel‘s „Grundzüge der Paläontologie“. Das Buch scheint ein treffliches Werk zum Nachschlagen zu sein, auch liest es sich, soweit ich bis jetzt sehe, in seinen allgemeinen || Abschnitten recht gut. In Verbindung mit Ihrer „Systematischen Phylogenie“ wird es noch werthvoller. Mir hat ein solches Werk thatsächlich schon lange gefehlt.
Kürzlich habe ich auch Prof. Semons Arbeiten über Ceratodus und die Monotremen gelesen. Der Versuch, die Phylogenese der Eihüllen zu erklären, hat mich sehr angesprochen und scheint sehr werthvoll zu sein. Dagegen hat mich wenig befriedigt der zweite Band von Romanes „Darwin u. nach Darwin“. Der erste Band ist entschieden besser und lesbarer. Sie sehen, dass ich mich nach Möglichkeit auf dem laufenden zu erhalten suche; leider ist mir nur zu wenig Literatur zugänglich.
Mit Bedauern höre ich, dass Ihre Frau Gemahlin krank war; hoffentlich ist es nichts ernsthaftes gewesen. Dass die Gelenkigkeit Ihres Fusses nach und nach besser wird, freut mich aufrichtig.
Wenn Sie Herrn Dr. Hans Meyer sehen, wollen Sie ihn bitte noch einmal an mich erinnern.
Mit vorzüglicher Hochachtung bleibe ich
Ihr Sie herzlich grüssender, treu ergebener Schüler
Dr. W. Breitenbach