Wilhelm Breitenbach an Ernst Haeckel, Odenkirchen, 11. Juni 1894
WILH. BREITENBACH
DR. PHIL.
ODENKIRCHEN, 11. Juni 1894
Sehr geehrter Herr Professor!
Für Ihren lieben Brief vom 10. Mai nebst den verschiedenen Beilagen (Zeitungen, Bild) sage ich Ihnen meinen herzlichsten Dank. Die mir noch nicht bekannten Sie betreffenden
biographischen Schriften habe ich mir kommen lassen, und ich habe schon die Ausarbeitung
der zwei Vorträge begonnen. Es wäre mir interessant zu erfahren, ob Sie den Director der Gewerbeschule in Hagen, Dr. Holzmüller, persönlich || kennen. Wenn ich mich recht
entsinne, erzählte mir vor einigen Jahren der Director Osterwald in Mühlhausen einmal
davon, u. zwar betraf es einen Aufsatz über Malerei.
Aus den Zeitungen habe ich die Begründung der neuen Haeckel-Professur erfahren, und
zugleich die Ernennung Walthers zum Inhaber derselben. Ich gratulire von Herzen zu der neuen Professur und hoffe, daß dieselbe manches für die Entwicklungsgeschichte leisten wird.
Vor einigen Tagen habe ich die Schrift des Jenenser || Superindentenden Braasch gegen
den Monismus gelesen. Diese Kritik ist sehr leicht zu kritisiren, wird im Übrigen aber
wol nicht viel schaden. Die Entwicklungsgeschichte wird ihren Weg vorwärts machen,
mögen auch noch so viele Steine und Steinchen ihr in den Weg geworfen werden. Ihr Sieg
würde sich noch viel schneller herausstellen, wenn im sogenannten gebildeten Publikum
mehr naturwissenschaftliche Kenntnisse verbreitet wären. Aber an diesen fehlt es leider
noch immer zu sehr, und deßhalb predigt man auch so oft sozusagen tauben Ohren. ||
Daß Ihr „Monismus“ so viele Auflagen erlebt, freut mich natürlich aufrichtig und ist doch
ein gutes Zeichen für den Fortgang unserer Weltauffassung.
Mit besten Grüßen verbleibe ich Ihr ganz ergebenster dankbarer Schüler
Dr. W. Breitenbach