Wilhelm Breitenbach an Ernst Haeckel, Odenkirchen, 15. Februar 1894
WILH. BREITENBACH
DR. PHIL.
ODENKIRCHEN, 15. Febr. 1894
Hochverehrter Herr Professor!
An dem bedeutungsvollen Tage, an dem Sie Ihren 60. Geburtstag feiern, umgeben von einem
großen Kranze Ihrer Freunde, Schüler und Bewunderer, will auch ich wenigstens im Geiste nicht fehlen unter denen, die Ihnen die herzlichsten Glückwünsche darbringen.
Sind Sie es doch, nächst meinem unvergeßlichen Lehrer Herm. Müller in || Lippstadt, in
erster Linie gewesen, der mir die tiefe Liebe zu unserer Wissenschaft und den mehr oder
weniger von ihr ausgehenden naturphilosophischen Fragen und Gedanken ins Herz gepflanzt
hat: eine Liebe, der ich durch alle Wandlungen meines bewegten Lebens hindurch treu geblieben bin, und der ich die Treue bewahren werde bis ans Ende meiner Tage.
Diese Liebe zur Wissenschaft hält || mich aufrecht in allen Kleinigkeiten und Unannehmlichkeiten des täglichen Lebens, sie hat meinen Geist frei gemacht und vorurtheillos, sie hat mich der größeren Gemeinschaft derer zugeführt, an deren Spitze Sie stehen.
Wenn es mir auch nicht vergönnt war, Neues für unsere Wissenschaft zu erforschen, so habe ich mich doch immer bestrebt, die Resultate der Forschung und des Denkens weiteren Kreisen zuzuführen. Und auch das gewährt Befriedigung || und ist nützlich und nothwendig.
In Ihnen, hochverehrter Herr Professor, werde ich allzeit das leuchtende Vorbild erblikken,
und meine Dankbarkeit für all‘ das, was ich Ihnen geistig verdanke, wird nie erlöschen.
Durch allen Wandel der Zeiten hindurch bin ich mit nochmaligem innigstem Glückwunsch
und herzlichem Gruß
in unwandelbarer Treue
Ihr ganz ergebenster Schüler Dr. W. Breitenbach