Wilhelm Breitenbach an Ernst Haeckel, Odenkirchen, 14. Juli 1893
WILH. BREITENBACH
DR. PHIL.
ODENKIRCHEN, DEN 14. Juli 1893
Sehr geehrter Herr Professor!
Vor einigen Tagen las ich in dem sozialdemokratischen „Vorwärts“ die Notiz, daß Dr. Hamann Sie wegen der Kritik seiner Buches gegen den Darwinismus verklagt habe Das ist ja das Allerneueste, daß solche Dinge jetzt auch vor die Gerichte gezerrt werden und daß sozialdemokratische Zeitungen derartige Nachrichten || zuerst verbreiten. In andern Blättern habe ich nichts darüber gelesen. Auf den Ausgang der Sache bin ich natürlich sehr gespannt. Meine Majestäts-Beleidigungsklage hängt augenblicklich in der Revisionsinstanz beim
Reichsgericht.
Der eigentliche Zweck meines heutigen Schreibens an Sie ist eine Bitte. Würden Sie wol die Güte haben, mir in den bevorstehenden Ferien einige neuere zoologische und allgemeine Bücher zu leihen, welche Sie für || diese Zeit entbehren können? Die Wahl derselben überlasse ich Ihnen vollkommen. Abgesehen von allgemeinen Werken darwinistischen Inhaltes möchte ich vor allem gern neuere entwicklungsgeschichtliche Arbeiten kennenlernen, die mir hier ganz unzugänglich sind. Ganz besonders wieder interessiren mich Arbeiten über Entwicklung niederer Thiere.
Mikroskopisch befasse ich mich seit einigen Wochen mit der || Untersuchung von Hydropolypen und Plankton. Beides habe ich mir von der Biologischen Anstalt auf Helgoland kommen lassen. Ich finde das Material recht preiswerth. Die Untersuchung selbst bereitet mir vielen Genuß.
Sollten Sie meine Bitte erfüllen, so würden Sie mir einen großen Gefallen erweisen und mich Ihnen erneuert zu lebhaftem Dank verpflichten.
Mit bestem Gruß bin ich Ihr hochachtungsvoll ergebenster
dankbarer Schüler
Dr. W. Breitenbach