Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Walter de Gruyter, Jena, 22. Januar 1909

Zoologisches Institut

der Universität Jena

Jena 22. 1. 1909.

Hochgeehrter Herr Doktor!

Ihre Absicht, zu Gunsten der neuen (XI.) Aufl. der „Natürlichen Schöpfungsgeschichte“ einige Feuilleton-Artikel über deren „geschichtliche und gegenwärtige Bedeutung“ den verschiedenen Blättern zu senden, scheint mir sehr zweckmäßig. Ich empfehle Ihnen dazu besonders folgende Schüler:

1. Wilhelm Bölsche (Friedrichshagen bei Berlin)

2. W. Breitenbach, Dr. phil. Brackwede bei Bielefeld

3. Walter May, Prof. Dr. Technische Hochschule, Karlsruhe

4. Ludwig Reh, Dr. (Naturhistorisches Museum, Hamburg)

5. Heinrich Schmidt, Dr. (Pfaffenstieg 1, Jena). ||

Von den Frei-Exemplaren der Neuen (XI.) Aufl. der Natürlichen Schöpfungsgeschichte bitte ich Sie direct je ein Exemplar (gebunden) an folgende Adressen zusenden: 1–5 an die vorher genannten 5 Herren; ferner:

6. Prof. Dr. L. Plate (Beethoven Str. 1, Berlin)

7.Prof. Dr. Arnold Lang (Rigi-Str. 50, Zürich)

8. Prof. Dr. Hescheler (Zoologisches Institut, Zürich

9. Prof. Savalian (Technische Hochschule, Hannover)

10. Grobben, Prof. Dr. Zoologisches Institut, Wien.

11. Prof. Dr.a R. Hertwig, München (Zoologisches Institut)

12. Prof. Dr. Doflein Zoologisches Institut München ||

13. Dr. A. Heilborn (Ahorn-Str. 10, Steglitz)

14. W. Schwaner, Herausgeber des „Volkserzieher“, Schlachtensee (Berlin)

15. Geheimrat Prof. Dr. Strasburger, Bonn

16. Prof. Dr. Theodor Arldt Radeberg (Königreich Sachsen)

17. Prof. Dr. Valentin Haecker Stuttgart

18. Dr. Wilhelm Knaupp Renchen, Baden.

19. Caesar Schöller Zürich

20. Prof. Dr. Hesse Tübingen

(Ausserdem erbitte eine Anzahl Frei-Exemplare nach Jena (gebunden)|

In Folge einer Knie-Verletzung (durch einen Fall am 11. December) habe ich 5 Wochen zu Bett liegen müssen und konnte erst am 18. Januar meine Vorlesungen wieder aufnehmen. Am 10. Februar schließe ich sie für immer. – Am 12. Februar halte ich hier (zur Darwin-Feier) meinen letzten öffentlichen Vortrag.

Am 1. April tritt Prof. L. Plate als mein Nachfolger an meine Stelle. Mit ihm zusammen werde ich im Sommer das Phyletische Museum einrichten. Leider fließen die Geldmittel dazu noch sehr spärlich.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr ergebener

Ernst Haeckel.

Verte! ||

Herrn

Dr. Walter de Gruyter

(Georg Reimer)

Lützow-Str. 107

Berlin W

[Beilage]

Dank und Abschied.

Jena, 21. Februar 1909.

Aus Anlass meines 75sten Geburtstages sind mir am 16. Februar d. J. von Nah und Fern überaus zahlreiche Glückwünsche und Beweise freundlicher Teilnahme zugegangen. Aeltere und jüngere Schüler haben in Briefen und Adressen ihren Dank für meine Lehrtätigkeit ausgedrückt; wahrheitsuchende Gesinnungsgenossen aus allen Bildungskreisen haben mich ihrer treuen und dankbaren Anhänglichkeit versichert. Wertvolle Geschenke, Blumenspenden und feinsinnig ausgeführte Kunstwerke, haben neben wissenschaftlichen Gaben mir viel Freude bereitet. Da ich zu meinem Bedauern ausser Stande bin, allen einzelnen Gebern und Gönnern meinen herzlichen Dank persönlich abzustatten, muss ich Sie freundlichst bitten, ihn in diesen Zeilen entgegen zu nehmen.

Besonderen Dank schulde ich jenen hochherzigen Freunden der Naturwissenschaft, welche bei dieser Gelegenheit ansehnliche Gaben für mein neues, vor zwei Jahren begründetes Phyletisches Museum beigesteuert haben. Es wird mir dadurch möglich, jetzt mit der inneren Einrichtung dieses ersten „Museums für Entwickelungslehre“ zu beginnen, nachdem dessen stattliches Gebäude vollendet und von mir der Universität Jena, bei Gelegenheit ihrer 350-jährigen Jubelfeier am 30. Juli 1908, als Geschenk übergeben worden ist. Ich hoffe, daß meine Kräfte noch ausreichen werden, wenigstens || die Grundzüge dieser gemeinnützigen Bildungs-Anstalt, meiner letzten Lebensarbeit, festzulegen.

Nachdem ich jetzt mein akademisches, seit 48 Jahren innegehabtes Lehramt an der Universität Jena niedergelegt habe, nehme ich zugleich Abschied von den zahlreichen Lesern meiner Schriften und von den wohlwollenden Förderern meiner Arbeiten. Beim Abschlusse meiner langen, mühsamen und kampfbewegten Lebensarbeit muss ich es dankbar als besonderes Glück betrachten, dass es mir vergönnt war, in dem grossen Kampfe der Weltanschauungen zur wissenschaftlichen Begründung und weiten Verbreitung des lichtbringenden Entwickelungs-Gedankens beizutragen. Nach wie vor bin ich fest überzeugt, dass nur auf diesem Wege die Befreiung der denkenden Menschheit von den Ketten der Unwissenheit und des traditionellen Aberglaubens erreicht werden kann. Nur durch die voraussetzungslose Natur-Erkenntnis werden wir zur reinen Wahrheit gelangen, und indem wir mit dem Besitze des Wahren den Genuss des Schönen und das Streben nach dem Guten verbinden, zu jener einheitlichen und vernunftgemässen Weltanschauung, deren höchstes Ziel die monistische Religion bleibt.

ERNST HAECKEL.

a eingef.: Prof. Dr.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
22.01.1909
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Staatsbibliothek Berlin PK, Verlagsarchiv Walter de Gruyter
Signatur
M 7704, Dep. 42, R 2, Haeckel, Ernst, Bl. 64r-66v
ID
52865