Halpern, Lili

Lili Halpern an Ernst Haeckel, Altaussee, [nach dem 20. April 1911]

Hochverehrter Herr Professor!

An dem idyllischen Aussee, wo ich zum Sommeraufenthalt weile, vertiefe ich mich wieder mit größtem, ernstem Genuß in Ihre grandiose Schöpfungsgeschichte, und ein so starkes Verlangen überkommt mich, Ihnen zu danken für die beglückende, mächtige Gabe, die Sie der Welt und somit auch jedem Einzelnen geschenkt, daß ich ihm, trotz meiner Befürchtung, unbescheiden zu erscheinen, nachgebe!

Aber noch eines drängt mir die Feder in die Hand. Ich habe, wie so viele, mit innigster Teilnahme von Ihrem Unfall gelesen. Nun bedrückt mich sehr die Ungewißheit, wie gegenwärtig Ihr Befinden ist und ob dasselbe, wie ich sehnlichst wünsche und hoffe, schon ein vollkommen günstiges genannt werden kann. Ich weiß wohl, daß es ein Wagnis, vielleicht eine Anmaßung ist, aber möglicherweise findet sich in Ihrer Umgebung ein Sekretär oder eine andere Persönlichkeit, die die Liebenswürdigkeit hätte, mir hierüber mit einigen Worten eine hoffentlich erfreuende Nachricht zu geben.

Sie haben einst den wißbegierigen Backfisch und später auch die Braut mit so rührender Freundlichkeit u. Güte behandelt, daß Sie mir nicht grollen dürfen, wenn sich zu der großen Verehrung für den tiefen Denker u. Forscher auch die warme Begeisterung für den Menschen, die innigste, liebevollste Anhänglichkeit für ihn zugesellt hat. Mit dieser verbleibe ich immerdar

Ihre ergebene

Lili Hapern, geb. Neuda.

Markt Aussee, Haslauerstraße bei Herrn Krafft.

Herrn Professor

Ernst Haeckel

Jena

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
nach dem 20.04.1911
Entstehungsort
Entstehungsland
Zielort
Jena
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 52652
ID
52652