Max Weber an Ernst Haeckel, Eerbeek, 27. Dezember 1917
PROF. MAX WEBER
EERBEEK
27 December 1917.
Hochverehrter Herr Kollege,
Gestatten Sie mir zunächst Ihnen herzlichst zu danken für die freundliche Übersendung Ihres Werkes: „Kristallseelen“.
Ich habe mit grossem Interesse darin gelesen, neben anderem voll Bewunderung für die unverwüstliche Jugendfrische und den erfrischenden Idealismus, mit dem Sie, trotz Ihrer 83 Jahre dieses Werk geschrieben haben.
Selbst wenn die Kristallseelen als eine Dichtung sich heraus-||stellen sollten, dann ist es erhebend und unerwartet, daß aus den Tatsachen der Kristallographie sich eine solche Dichtung machen lässt. Welch ein langer Weg liegt zwischen Ihrer „Generellen Morphologie“ und Ihren „Kristallseelen“.
Wie viele andere habe auch ich diesen Weg an Ihrer Hand zurückgelegt, dankbar für das Viele, das wir auf diesem Wege lernten.
Dieses neueste Werk ist ein erfreulicher Beweis, dass Sie immer noch rüstig an der Arbeit sind. Die Arbeit ist ja schliesslich der einzige Trost in || diesen traurigen Jahren, in denen Lüge, Laster und Unwissenheit gepaart mit Heuchelei a Krieg führen gegen Deutschland. Glücklich scheint ja jetzt ein Wendepunkt zu kommen, der uns vielleicht den ersehnten Friede bringt.
Meine Frau und ich senden Ihnen unsere besten Wünsche und Grüsse zum bevorstehenden Jahreswechsel.
Ihr ergebenster
Max Weber
a gestr.: gepaart