Richard Greeff an Ernst Haeckel, Ostende, 27. August 1866

Ostende den 27. August 66.

Lieber Herr Professor!

Wie Sie sehen bin ich doch noch zu einem Ausfluge an die See gekommen und zwar zunächst nach Ostende um von hier aus meiner Absicht gemäß allmählich nach der französischen Küste vorzurücken. Da mich indessen, um mich nicht allein ziehen zu lassen, meine Frau begleitet hat, so ist die leichte Lokomotion etwas erschwert und wira sind nun schon seit beinahe 3 Wochen hier. Außerdem habe ich indessen auch manches Interessante hier gefunden, obgleich aus der Tiefe mit dem Schleppnetz wegen des sich weit ins Meer hineinerstreckenden sandigen Grundes wenig zu erhalten ist. Man ist fast nur auf die Strandfauna bei tiefer Ebbe und auf die allerdings reichhaltigen Austernbassins angewiesen. An den Pfuhlen und Steinen an der sog. Estacade ist bei || tiefer Ebbe Manches Schönes zu finden besonders überall ein massenhafter Besatz von Polypen, so daß nach meiner Schätzung Alles was Sie in Helgoland mit Mühe aus der Tiefe holen mußten, Sie hier reichlich am Strande finden würden. Auch einige prächtige Exemplare von Chrysaora, Rhizostoma v./u. Cyanea habe ich gelegentlich einer kleinen Excursion gefangen, außerdem findet man sie viel am Strande liegen. Von den beiden Ersteren habe ich ein Paar einige Tage lebend erhalten und mich mit meiner Frau viel an der Schönheit der Thiere erfreut, sie meinte, daß sie daran auch wohl Gefallen finden könne man sähe doch wo und wie ohne erst in das Mikroskop gucken zu müssen. – Meine Haupt-Absicht war ursprünglich mich hier mit Anneliden und speziell mit einer Familie nämlich den Sylideen zu beschäftigen, die ich für die nächste Zeit genauer bearbeiten möchte indessen habe ich bis jetzt nicht viel erreicht einentheils weil ich Nichts aus || der Tiefe bekommen konnte und mir deßhalb das hauptsächlichste Material fehlte, und anderntheils weil ich mich zu viel durch andere Dinge habe abziehen lassen. Die Zeit meines Bleibens ist außerdem sehr unbestimmt, da mein Schwiegervater, der jetzt in Bonn wohnt, krank ist und wir nach den letzten Nachrichten stündlich befürchten müssen zurückgerufen zu werden. Wie ich aus Ihren freundlichen mir hier her nachgesandten Zeilen lese sind Sie während der Ferien noch durch Arbeit zu Hause gefesselt, beabsichtigen aber wo möglich für den Winter nach dem Süden zu gehen. Wie gerne möchte ich Sie begleiten, da ich glaube, daß ich am Mittelmeer auch für meine Zwecke weit reichlicheres Material finden würde. Indessen ist die Krankheit meines Schwiegervaters, die schon seit längerer Zeit anhält, der Grund und der hauptsächlichste, der mich zurückhält. Jedenfallsb bitte ich freundlichst mir, sobald Sie sich darüber entschlossen haben, mit ein paar Worten mitzutheilen wohin und wann Sie reisen. || Wenn ich mir dann auch die Freude versagen muß Sie zu begleiten soc nehme ich doch viel Interesse an Ihrer Expedition. Sollte indessen im weiteren Verlaufe eine Besserung des Zustandes meines Schwiegervaters eintreten, so könnte ich died Sache doch noch in nähere Ueberlegung ziehen da meine gute Frau mir schon für den Fall Urlaub bewilligt hat. Ich bitte Sie deßhalb jedenfalls mir mite ein paar Worten seiner Zeitf g Ihren näheren Entschluß mitzutheilen. Für heute nehmen Sie mit diesen flüchtigen Zeilen vorlieb und seien aufs Herzlichste gegrüßt von Ihrem

Richard Greeff

Meine Frau erwiedert Ihren Gruß aufs freundlichste.

Ihre etwaige Nachricht bitte ich jedenfalls direct nach Bonn zu adressiren, da wir, wie gesagt, täglich abreisen können.

a korr. aus: ich; b korr. aus: Indessen; c korr. aus: ne; d korr. aus: der; e eingef.: mit; f eingef.: Zeit; g gestr.: Entsch

Brief Metadaten

ID
51
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Ostende
Entstehungsland aktuell
Belgien
Entstehungsland zeitgenössisch
Königreich Belgien
Datierung
27.08.1866
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,0 x 22,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 51
Zitiervorlage
Greeff, Richard an Haeckel, Ernst; Ostende; 27.08.1866; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_51