Charlotte Haeckel an Agnes und Ernst Haeckel, [Berlin], 11. – 15. Januar 1868
Sonnabend 11/1 68.
Liebe Agnes!
Als ich gestern Abend so eilig den Brief an Euch zumachte, habe ich eins warum ich Dich bitten wollte ganz vergessen, und damit das beim nächsten Schreiben nicht wieder geschieht, so will ich es lieber gleich schreiben: mir ist es nämlich, als wäre Ernst mit dem Kragen auf seinem neuen Hemde nicht ganz zufrieden gewesen, da ich mich nicht mehr darauf besinnen kann, was er anders wünschte, so bitte ich Dich mir einen Pappierschnitt zu schicken, wie die Kragen sein sollen || aber bitte bald, weil ich die Kragen a mit den Manschetten zur Nähmaschine schicken will. −
Den 15ten. Meine lieben Kinder! Vergeblich habe ich von einem Tag zum andern gehofft, Nachricht von Euch zu erhalten. Da nun meine lieben Jenenser nichts von sich hören lassen, bin ich recht besorgt: ob einer von Euch beiden Lieben krank sei, oder ob das Befinden der lieben Mutter Euch Sorge macht, und Ihr deshalb nicht schreibt. ||
O bitte, sagt uns recht bald, wie es Euch geht? Ich habe jetzt doppelte Sorge, weil Ihr es uns verheimlicht habt, als Ernst seines Fußes wegen sich keine Bewegung machen konnte. Ihr dürft uns nicht nichts verheimlichen. Ist der Fuß nun wieder ganz gut? Ist Agnes Erkältung gehoben? und ist mein lieber Ernst, nun vernünftiger und regt sich nicht so durch sein Coleg auf? Das sind so die Hauptfragen, die ich täglich an Euch thue. ||
So viel Freude es mir ist, daß Ihr zu Weihnachten hier ward, so war doch das Sehn zu kurz und überhaupt die Zeit so unruhig, daß wir wenig zum traulichen Aussprechen gekommen sind. Da müßt Ihr nun schriftlich nachholen, und mir viel von Euch und Euerem Leben erzählen. Mein Lebensglück ruht auf den Kindern. –
Mich interessiert ja besonders, wie sich Euer Leben im Hause gestaltet hat? Da möcht ich jede Kleinigkeit wissen. – – ||
Kann Ernst sich Abends von den Geschäften frei machen, daß er mit Dir, liebe Agnes, gemeinschaftlich etwas treiben kann? Lest Ihr mit unter etwas zusammen? treibt Ihr Musik? und spielt Ihr zuweilen auch eine Partie Schach? Und dann bitte ich noch: zieht Euch nicht von allem Umgang zurück; man muß auch lernen mit Menschen verkehren, die nicht ganz nach unserer Neigung sind; || und das wird uns gelingen, wenn wir nur immer den guten Willen haben, bei Jedem die bessern Seiten aufzusuchen. –
Gestern besuchte uns Herr Professor Endemann; im Laufe des Gesprächs brachte er an, daß er Euch noch einen Besuch schuldig sei, und Ihr abgereist gewäsen wärd, ohne daß es [!] es gewußt. Ich ging darauf nicht weiter ein, und sagte: ihr wärt 2 Tage später || gekommen, als Ihr erst beabsichtigtet. –
Montag war Tante Bertha mit Gertrudchen aus Potsdam, die hier ist auf mehrere Tage, um den Zahnarzt zu brauchen, zu Mittag bei uns. Abends besuchte uns Herr Giesel mit der Frau. Im Ganzen leben wir jetzt sehr still, und einsam. – Schreibt nur bald; und Gott gebe, daß es Euch gut gehe. Gute Nachricht von Euch ist ein Lichtpunkt in meinem Leben. ||
Heute haben wir den ganzen Tag Regen gehabt, da ist Vater früh tüchtig naß geworden, deshalb hat er heute Abend seinen Spaziergang in der Stube gemacht. Nun, für heute: Gute Nacht. – Grüßt die liebe Mutter, Bertha und Clara herzlich von mir. – Behaltet mich lieb, und erfreut bald mit einem Briefe
Euere
alte Mutter
Lotte.
a gestr.: will