Hugo Bücking an Ernst Haeckel, Straßburg, 22. März 1885

Urtheil

des ordentlichen Professors der Mineralogie, Dr. H.

Bücking in Straßburg, über Dr. G. Steinmann.

Meine Ansicht über die Befähigung Steinmann’s, Mineralogie zu dociren, ist folgende: Steinmann kennt die für den Geologen und den Bergmann pp. wichtigen Mineralien sehr wohl aus eigener Anschauung, ich darf wohl sagen, noch besser, als einige meiner specielleren Fachgenossen, welche unter Mineralogie nur die Krystallographie zu verstehen belieben. Auch vermag Steinmann in der Mineralogie das Wichtige von dem Unwichtigen recht gut zu unterscheiden. Dem Vorkommen und der Entstehungsweise und damit auch den chemischen Eigenschaften der Mineralien bringt er, namentlich seit er auf seiner Reise in Südamerika sehr werthvolle Beobachtungen über das Verhalten der dortigen technisch wichtigen Minerallagerstätten und über die Art und Weise der Verarbeitung der verschiedenen nutzbaren Mineralien gesammelt hat, ein ganz besonderes Interesse entgegen; ein Interesse, das ihm gegebenen Falles es auch leicht machen wird, mit den krystallographischen Eigenschaften der Mineralien sich so eingehend bekannt zu || machen, daß er in Vorlesungen über Mineralogie auch der Krystallographie in gebührender Weise Rechnung tragen kann. Zudem hat Steinmann so gute physikalische und mathematische Vorkenntnisse, daß er rasch die neueren krystallographischen Untersuchungsmethoden sich zu eigen machen wird; es spricht für hierfür auch, daß er schon nach sehr kurzer Anleitung auf der hiesigen Sternwarte bei der letzten Venusexpedition als recht zuverlässiger Beobachter Verwendung finden konnte.

Ich zweifle nicht, daß Steinmann, wenn er als Vertreter der gesammten mineralogischen Disciplinen an eine Universität berufen wird, mit der im eigenen Energie die Lücken, welche sein mineralogisches Wissen besitzt, und welche er selbst am besten kennt, in sehr kurzer Zeit beseitigen wird. Nicht im ersten, aber sicher im zweiten Semester wird er im Stande sein ein Colleg über Mineralogie zu lesen, welches die Zuhörer nicht nur voll auf befriedigen, sondern auch in mannigfacher Weise anregen wird.

Straßburg, den 20. März 1885.

H. Bücking

Brief Metadaten

ID
47881
Gattung
Briefabschrift
Institution an
Prorektor und Senat der Großherzoglichen und Herzoglichen Gesamt-Universität Jena
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Zielort
Zielland
Deutschland
Datierung
22.03.1885
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
2
Umfang Blätter
1
Format
21,1 x 32,8 cm
Besitzende Institution
UAJ
Signatur
UAJ, BA 440, Bl. 78r-v
Zitiervorlage
Bücking, Hugo an Haeckel, Ernst; Jena; 22.03.1885; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_47881