Senior venerande!
Assessores gravissimi!
Herr Carl Gensthaler aus Czernowitz in der Bukovina (in nächster Nähe Podoliens), Apotheker, 25 Jahre alt, bewirbt sich um die Promotion in absentia. Derselbe sandte unter obigem Namen einen Theil seiner Papiere schon vor 4 Monaten aus Marburg in Steiermark ein, mit dem Bemerken, daß der andere Theil und die Gebühren bald nachfolgen sollten. Diese kamen nun vor 3 Wochen. Allein die Handschrift und die Unterschrift des Verfassers, der sich jetzt Carl „Genstaller“ nannte, und aus Innsbruck schrieb, waren ganz andere. Ich mußte daher Verdacht schöpfen, daß es sich hier um zwei verschiedene Personen handle, vielleicht Vater und Sohn, oder ein paar Vettern, die auf gemeinschaftliche Kosten sich den Doctor-Titel erwerben wollten. Ich schrieb deßhalb an den Staatsanwalt in Innsbruck, von welchem ich gestern das beifolgende Protocoll erhielt. Es ergiebt sich daraus, daß wir es allerdings nur mit einer Person zu thun haben, die sich ad libitum bald „Gensthaler“, bald „Genstaller“ nennt. ||
Allein diese Person hat uns in ihrer ersten Zuschrift belogen, indem sie ausdrücklich versicherte, die Abhandlung eigenhändig niedergeschrieben zu haben. Vergleicht man den zweiten Brief mit dem ersten Schreiben und der Abhandlung, und nimmt man dazu, daß der Petent in seiner Autorschafts-Versicherung „auf Ehrenwort“ ausdrücklich die vorgeschriebene Formel „an Eidesstatt“ vermieden hat, so gewinnt man die moralische Überzeugung, daß derselbea die Abhandlung nicht selbst verfaßt hat. Ich beantrage daher, ohne weiteres Eingehen auf die Abhandlung selbst, welche über „einen neuen Bestandtheil des Harnes“ handelt, den Petenten abzuweisen.
Jena den 24. Febr. 1872
Hochachtungsvoll
Haeckel
d. Z. Decan
Decane maxime spectabilis
Für Abweisung. Snell | Ebenso. Stickel | Nipperdey | E. E. Schmid | K. Fischer | Hildebrand | Moriz Schmidt | A. Schmidt | A. Geuther | C. Bursian.
a gestr.: Verfasser; eingef.: derselbe