Eisenach, d. 26. März 1907
Euer Exzellenz
unterbreite ich hiermit unter Beifügung der erforderlichen Zeugnisse ganz ergebenst ein Gesuch um Verleihung eines Stipendiums an meinen Sohn Werner aus dem Universitätsstipendium für Studierende der Medizin und der Naturwissenschaften, dessen Kollator Sie sind.
Zur Aufklärung des ungewöhnlichen Falles darf ich wohl folgendes mitteilen.
Wie sich aus beiliegenden Papieren ergiebt, hat mein Junge nach Verlassen der Schule sich der Apothekerlaufbahn zugewandt und sich den ihm hier erwachsenden Aufgaben mit Fleiss und Eifer zugewandt. So sehr dabei nun auch manches Einzelne ihn fesselte, so konnte doch der Beruf als solcher|| ihn in keiner Weise befriedigen, und nachdem er nun auch noch ein Jahr lang als Gehilfe tätig gewesen ist, sind seine unbefriedigten Eindrücke von dem Beruf noch stärker geworden, und er hat mich gebeten, Medizin studieren zu dürfen. Ich habe ihm das gestattet, da ich glaube, dass sein Sinn für wissenschaftliches Streben bei der Medizin mehr auf seine Rechnung kommt als hinter dem Ladentisch einer pharmazeutischen Offizin. So soll er Ostern nach Jena ziehen, dem auch ich meine akademische Bildung verdanke – ich habe, obgleich Philologe, auch bei Ihnen ein Kolleg gehört –. Da ich mit Glücksgütern nicht gesegnet bin, so muss ich versuchen, durch Stipendien meinen finanziellen Schwächen aufzuhelfen.
Einer geneigten Antwort entgegensehend
Ergebenst
Professor L. Baetgen