Bartholomäus von Carneri an Ernst Haeckel, Krumpendorf am Wörthersee, 13. August 1893

Vogelberg 13. August 1893.

Geliebter und verehrter Freund!

Gestern Abend bin ich hier angekommen und habe Ihren lieben, guten Gasteiner Brief auf meinem Tisch gefunden. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie glücklich mich Ihre treue Liebe macht und der Gedanke, mich demnächst mit Ihnen nach Herzenslust a ausplaudern zu können. Niemand verdanke ich soviel als Ihnen, niemand ist mir sympathisch wie Sie, an niemand kettet mich ein so inniges Freundschaftsgefühl. Ich bezweifle gar nicht, daß Sie eine Brücke finden, die den einzigen Punkt, der unser Denken trennt, verschwinden macht. Ist es doch im Grunde, da Sie keine Vorsehung und keine persönliche Unsterblichkeit annehmen, nur eine akademische Trennung. Es werden für || mich ebenso gewinnbringende als selige Tage sein, die auch dadurch für mich an Werth steigen, daß sie, berücksichtige ich die langen Zeiträume, die jedesmal unsere Begegnungen trennen, und das 72. Jahr, das ich in Kürze vollende, nicht mehr oft sich wiederholen dürften.

Für meine Kinder, die mit ihrer schwerkranken Tante diesen Sommer sehr traurig verbringen, wird Ihr Erscheinen ein wahres Labsal sein. Beide grüßen Sie herzlichst. Der Zudrang von Fremden ist hier dies Jahr ganz fabelhaft, und im Moment ist in Krumpendorf kein Zimmer leer. Wir befinden uns eben auf der Höhe der Saison. Wie etwas zu haben ist, pack’ ich es. Wird aber auch nichts leer, so macht es nichts. Klagenfurth hat hart am Bahnhof ein ganz gutes Hôtel und mit der Eisenbahn sind Sie in 10 Minuten in Krumpendorf, von wo Sie bei schlechtem Wetter mit || dem Wagen, den die Tante hier hat, abgeholt werden. Sie können auch bis zur ersten Station, Militärschwimmschule, mit der Pferdebahn fahren und sind von dort zu Fuß in einer Viertelstunde hier. Sie essen zu Mittag und zu Abend mit uns, der See ist herrlich und die Badegelegenheit hier vortrefflich, vielleicht auch als Nachkur sehr zu empfehlen. Ist es Ihnen gegönnt, den Weg über die Tauern zu nehmen, so wird auch der Weg hierher Ihnen eine schöne Erinnerung sein.

Noch habe ich einen Artikel Hamann’s nicht erhalten können. Das katholische Literaturblatt scheint Lunte zu riechen. Aber ich habe noch einen Weg dazu, der zum Ziel führen muß, wenn Hamann wirklich für jenes edle Blatt schreibt. Die Statuten der Leo-Gesellschaft, die Sie vielleicht auch brauchen können, erhalte ich dieser Tage.

Und jetzt lassen Sie sich in unserm Geist an’s Herz drücken

Ihres

treu ergebenen

B. Carneri

a gestr.: mit Ihnen

Brief Metadaten

ID
4682
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsland aktuell
Slowenien
Entstehungsland zeitgenössisch
Österreich Ungarn
Datierung
13.08.1893
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
3
Umfang Blätter
2
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 4682
Zitiervorlage
Carneri, Bartholomäus von an Haeckel, Ernst; Krumpendorf am Wörthersee; 13.08.1893; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_4682