Paul von Ritter an Ernst Haeckel, Basel, 1. Juni 1888

Basel | 8 Schärtlingasse 8

1 Juni 88./.

Hochgeehrter Herr Professor,

Ihre geehrte Zuschrift vom 30 Mai 88 habe ich erhalten und danke Ihnen und dem hochgeehrten Herrn Kurator der Universität Jena Staatsrath von Eggeling für das mir geschenkte Wohlwollen, welches ich mit freudiger Begeisterung in mein Herz geschlossen habe. –

Die Ursache warum ich die vorliegende Angelegenheit jetzt schon zum Abschluß bringen möchte, brauche ich Ihnen nicht zu sagen sobald sie das Ungewisse aller menschlichen Unternehmungen in ernste Erwägung ziehen und dabei bedenken daß der von Ihnen frisch gepflanzte || Baum der Erkenntniß durch unerwartete Ereignisse in seinem ferneren Gedeihen gestört werden könnte. –

Das nach Vollendung strebende Leben a der Natur kann nur in der Natur studirt werden und vorzugsweise an denjenigen Orten, wo es sich nach allen Richtungen frei entwickeln kann und nicht durch die Klammern menschlicher Kultur eingezwängt ist. Deshalb halte ich transatlantische Reisen, welche den Gesichtskreis des Naturforschers erweitern, für bedeutungsvoll und wichtig. – Aber derartige Excursionen können nur diejenigen unternehmen, welche bei den nothwendigen Kenntnissen das volle Maß geistiger Frische und körperlicher Kraft besitzen. – Unter allen lebenden Gelehrten der Jetztzeit, welche die Evolutionstheorie lehren, sind Sie, hochgeehrter Herr Professor, der einzige, welcher diesen Anforderungen genügt, || um der glorreichen Regierung S. K. H. und der Universität Jena ein bleibendes Denkmal zu setzen. – Liebe und Lust sagte Goethe sind die Fittige zu großen Thaten und mit beiden moralischen Erfordernissen hat das gütige Geschick sie überreich gesegnet. – Was mich betrifft, so ist die einmal erkannte Wahrheit der Entwicklungslehre für mich zur Überzeugungstreue b und Religion geworden und ich würde mich als göttliche Substanz schämen zu sterben ohne dieses Princip, welchem ich als Kind unbewußt und in reiferen Jahren mit Bewußtsein huldigte, nicht zum Ausdruck gebracht zu haben. – Daher wünsche ich, daß die von mir angeregte Angelegenheit eines zu diesem Zwecke festgesetzten Legates, zum Abschluß komme, wo wir Alle noch leben und S. K. H. der Grossherzog über die geschenkte Summe von 300.000 RM, wie ich in meinem Schreiben an Seine Exzellenz den Herrn Staatsminister vom 30 Mai 88 auch ausdrückte, c persönlich d verfügen können. – Ich hoffe im October dieses Jahres || den Check auf den Betrag von 170/m RM übergeben zu können und bitte nur um eine freundliche Gefälligkeit jede Öffentlichkeit auszuschließen und die schöne, große und ernste Angelegenheit ganz en famille zu behandeln. – Handeln ist in solchen Fällen besser als Sprechen und die meisten Menschen sind von der Wichtigkeit und dem Ernste der Entwicklungslehre so weit entfernt wie wir vom α im Centauren ./.Alpha./. Ihre Medusen-Theorie ist herrlich, wahr und geistreich. – Ich werde schreiben sobald ich meine Finanzoperation in Ordnung gebracht haben werde. –

Meine herzlichsten Grüsse an Ihre liebe Frau Gemahlin welcher ich das beste Wohlsein wünsche. – Ich werde mich freuen Sie persönlich in Basel oder irgendwo begrüßen zu können. – Meine ehrerbietigsten Grüsse an den Herrn Kurator Staatsrath Eggeling.

Mit vorzüglicher Hochachtung und freundlichen Grüßen

Ihr ergebener

Paul Ritter

Eine Beifügung. −||

[Beilage: Briefabschrift Paul von Ritter an Theodor Gottfried von Stichling, Basel, 30. Mai 1888]

Copie. 30t Mai 88.

Excellenz,

Bezugnehmend auf ein an den Herrn Professor Dr Ernst Haeckel in Jena gerichtetes Schreiben vom 23n Mai 88, in welchem ich denselben um die Gefälligkeit bat bei Ew. Exzellenz vorstellig zu werden den Restbetrag des von mir für das Studium der phylogenetischen Zoologie und transatlantischen für denselben e wissenschaftlichen Zweck unternommene Reisen gestiftetes der Universität Jena unter unmittelbarer Verfügung Ihres durchlauchtigsten Fürsten und Herrn S. K. H. des jetzt regierenden Großherzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach Carl Alexander gewidmetes Legat in der Summe von 170.000 RM im October 1888 abzahlen zu dürfen, – nehme ich mir die Freiheit Ew. Excellenz im Interesse der Wissenschaft und in Berücksichtigung der f günstigen Zeitstreuung mein ergebens obiges Gesuch zu wiederholen und Euer Excellenz gütigst zu bitten mein Anliegen S. K. H. dem Grossherzog Ihrem Durchlauchtigsten Herrn und Fürsten vorzutragen, damit das unter dem hohen und erlauchten Schutz S. K. H. angebahnte Werk || die Herrlichkeiten der Natur im Sinne der Entwickelungslehre dem Verständnisse der Menschen näherzubringen unter der glorreichen Regierung auch wirklich erreicht und zum Abschluß gebracht werden möchte.

Einer geneigten Antwort Ew. Excellenz entgegensehend zeichne mit vorzüglicher und stets wachsender Hochachtung

Ew. Excellenz

ergebener

PR

Basel Schärtlingasse 8.

An Seine Excellenz | Herrn Staatsminister| Dr von Stichling

30 Mai 88./.

a gestr.: in; b gestr.: geworden; c gestr.: für; d gestr.: Verfügung; e gestr.: Z; f gestr.: gegenseit

Brief Metadaten

ID
46631
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
01.06.1888
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
3
Format
14,0 x 22,4 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 46631
Beilagen
Beilage: egh. Briefabschrift von Paul von Ritter an Theodor Gottfried von Stichling, 30.5.1888
Zitiervorlage
Ritter, Paul von an Haeckel, Ernst; Basel; 01.06.1888; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_46631