Semon, Richard

Richard Semon an Ernst Haeckel, München, 25. Februar 1903

München, Ludwigshöherstr. 6

25/II 1903.

Hochgeehrter Herr Professor,

Mit tiefem Schmerze habe ich aus Ihrem Briefe die ungeheuerliche Sinnesverrückung unseres alten Gönners, Herrn Dr. Paul von Ritters, entnommen. Es ist wirklich zu traurig, und dass das ganze eine pathologische Erscheinung, offenbare Dementia senilis ist, nur ein schwacher Trost.

Ich habe mir erlaubt, Ihren Entwurf meiner Erklärung insofern etwas abzuändern, als ich die Verwendung der Zinsen der 10.000 M. etwas genauer praecisirt habe. Die glücklicherweise noch vorhandenen Beläge habe ich || deshalb auch beigelegt. Sollten Sie Ihre eigene Fassung: „Diese Summe von 10.000 M ist alsdann aus dem letzteren Depôt ( − sammt den inzwischen eingelaufenen Zinsen –) an den Verleger Herrn Dr. Gustav Fischer ausgezahlt worden“ für besser halten, so geben Sie mir bitte Nachricht. Ich glaube aber man kann bei einer derartigen Erklärung gar nicht pedantisch genau genug sein.

Mit den 3000 M vom 12. Mai 1892 hat es, wie der beigelegte Brief von Ihnen an mich gleichen Datums zeigt, seine Richtigkeit. Freilich haben Sie gar nichts mit der Aushändigung der Gelder zu tun gehabt. Dasselbe ist vielmehr, soweit ich mich erinnere, von Ritter direct meinem damaligen || Berliner Banquier Hardy u. Co. überwiesen worden. In Bezug auf diese Summe lege ich eine zweite Erklärung bei. Ihren Brief vom 12. Mai 1902 an mich erbitte ich mir gelegentlich zurück. Wie Sie sehen, bewahre ich Ihre Briefe sämmtlich auf und möchte keinen vermissen.

Ich bin ganz außer mir darüber, dass ihnen aus Ihren idealen Beziehungen zu Ritter und auch aus Ihrer so edlen und selbstlosen Förderung meines Reiseunternehmens jetzt plötzlich ein so elender Verdruss erwächst. Ich weiss, dass Sie glücklicherweise schon seit langem das kleinliche Getriebe der Menschen mit dem Gleichmut des Wissenden und Weisen überschauen, und sich an dem getrösten, was Sie in Ihrer Lebensarbeit an Grossem und Unzer- || störbarem geschaffen, über kleinlichen Neid, törichtes Missverstehen und tückische Feindschaft aber Ihrer selbst gewiss die Achseln zucken.

Stets in aufrichtiger Bewunderung und inniger Dankbarkeit

Ihr treuer Schüler

Richard Semon.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
25.02.1903
Entstehungsort
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 46591
ID
46591