Lütken, Christian

Christian Frederik Lütken an Ernst Haeckel, Kopenhagen, 7. Dezember 1877

Universitetets

Zoologiske Museum.

Kjøbenhavn.

7 Decbr 1877.

Geehrtester Hr. Professor!

Aus praktischen Gründen empfangen Sie hiermit die erste Hälfte der Ihnen – nach Verfügung des Herrn Professor Jap. Steestrup – zuzuschickenden Medusen des hiesigen zoologischen Museums, in solcher Weise dasz diese erste Abtheilung im ganzen die kleineren Formen begreift, ungefähr dem Begriffe der niedern Medusen, Oceaniden, im weiten Sinne des Wortes, Gymnophthalmen oder Cryptocarpen, entsprechend. Wenn sich’s herausstellt, dasz diese zarte Sachen das Hin- und Zurückschicken relativ gut ertragen, werden wir, nach erfolgter Zurücksendung, uns daran wagen, Ihnen eine weitere Sendung, die höheren, größeren Formen umfassend, zur Untersuchung zu expediren. Allerdings ist die Begränzung beider Abtheilungen nicht scharf ausgefallen, da es ja Eile mit dem Absenden hatte. Daher ist einiges mit untergelaufen, das besser seinen Platz in der nächsten Sendung gehabt hätte.

Die Sammlungen unseres Museums von dieser Thierklasse fallen gewissermaßen in 2 Kategorien: Erstens nordische Formen, großen Theils aus Grönland, dann von Island, Farö, einige wenige von unseren eigenen Küsten, viele dagegen im nördlichen Theile des atlantischen Oceans auf den Reisen nach Grönland und Island, im Laufe langer Zeiten gesammelt, besonders durch die in Grönland ansässigen Beamte der kgl. Handlungen, avor allem den verstorbenen Inspector und später Director Hrn. Olrik, die Führer der kgl. Handlungsschiffe, gelegentlich auch durch reisende Naturforscher und andere. Es dürfte daher besonders zur Aufklärung der Medusenfauna Grönlands ein relativ gutes Material vorliegen, und geben wir uns der Hoffnung hin, eine solche möchte jetzt durch Ihre Untersuchung statt finden. Es gehören in diese Kategorie der nordischen und nordatlantischen Medusenfauna die Nummern 1-61 und 128-48, so wie 165, 169 und 108, welche nur durch ein Versehen in die zweite Kategorie, bei Ausarbeitung des Verzeichnisses, gelangt sind. Allerdings können die beiden Kategorien nicht als solche geschieden b betrachtet werden, da die nordatlantische ohne scharfe Gränze in die allgemeine atlantische übergeht. ||

Diese zweite Kategorie entspricht im allgemeinen dem Begriff der pelagischen Medusenfauna. Es sind Formen, welche auf Anregung des Hrn. Prof. Steenstrups, nach dem Antreten seines Amtes in 1846, von verschiedenen reisenden Naturforschern, Schiffsärzten, Führer der Kriegs- und Handelsschiffe – vor allem durch die ausgezeichneten Handelsschiffkaptajne Hygen und Andrae – auf ihren überseeischen Fahrten mit dem Schleppnetzte erbeutet sind. Die Mehrzahl stammt demnach vom tropischen Theil des Atlantischen Oceans, eine Minderzahl aus dem indischen, dem Mittelmeer usw. Bitte zu bemerken, dasz die geographischec Länge stets von den Seefahrern von Greenwich berechnet wird.

Eine Bearbeitung oder Bestimmung dieser Sammlungen hat, wie Sie sehen werden, nur zum mindesten Theile statt gefunden. Es wurde eine solche mit den Geryoniden angefangen, mit dem Erscheinen Ihrer Monographie, sonst ist die Arbeit aufgeschoben worden in der Hoffnung, es möchte ein allgemeines Werk, wie das von Ihnen in Aussicht gestellte, die Arbeit erleichtern. Die meisten sind daher ohne Gattungsnamen geblieben, einige haben eine ziemlich generelle, zuweilen vielleicht gerade irrthümliche Bezeichnung „ad interim“ erhalten. Wir werden uns jetzt erlauben darauf zu rechnen, dasz sich von dieser Zusendung der Sammlung an Sie, ein erheblicher Fortschritt in der wissenschaftlichen Bestimmung datiren wird. Die Zusendung erfolgt vollständig, ohne Ausnahme (wie Sie aus den vielen Wiederholungen sehen werden), theils weil die Zeit eine gestrenge Auswahl nicht gestattete, theils damit nichts Ihnen unzugänglich seyn sollte. Es wird freilich darunter manches seyn, das zu wenig gut conservirt oder zu wenig karakteristisch an sich ist, um eine eingehende Prüfung vorzunehmen, das mag natürlich Ihrem eigenen Gutdünken ganz überlassen seyn. Da Ihre Arbeit dem Abschluß so nahe ist, werden Sie ohne Zweifel einen solchen eingehenden Ueberblick aller bekannten Formen inne haben, dasz Ihnen in den meisten Fällen wenigstens die || generische Bestimmung leicht seyn wird. Für jede solche Hilfsleistung würden wir begreiflich sehr dankbar seyn. Bestimmungen oder sonstige Bemerkungen bitte ich ins dazu bestimmte Rubrik derd beifolgenden Verzeichnisse gütigst eintragen zu wollen.

Einige in diesen Verzeichnissen mit " " bezeichnete Namen sind alte Manuskript- und Journal-Namen, welche, ohne dasz später eine Prüfung stattgefunden hat, bei den Gläsern geblieben sind. Nigritina Stp. bezeichnet „Bougainvillea nigritella Forbes“ und verwandte Formen; vielleicht haben Sie schon eine andere Benennung in der Litteratur.

Als ferneres Material für die Bearbeitung der grönländischen Akelephen überschicken wir ferner 18 Blätter mit Handzeichnungen von dem verstorbenen Malakologen und Inspector von Nordgrönland, Hrn. Hans Peter Christian Möller, Verfasser einer „Malacologia grönlandica“, ausgeführt. 15 von diesen Blättern sind numerirt und referiren[!] sich zu seinem eigenhändigen Verzeichnisse, dessen Namen wiederum auf sein retrohistorisches Tagebuch verweisen (Dgb = Dagbog s: Tagebuch). Es könnten dabei, glaube ich, noch weitere Notizen ans Licht gezogen werden, wenns wünschenswerth wäre. In dem Verzeichnisse der grönländischen Akalephen welches Hr. Mörch für Dr. Rinks „Grönland“ abfasste (1857), hat er diese Zeichnungen auche benutzt, und, indem er es versuchte, einige derselben zu den sonst beschriebenen Arten zurückzuführen, hat er damit mehrere Arten (jedoch ohne die Möllerschen Abbildungen zu citiren, in der Regel aufgenommen, z. B. Sarsia glascialis, Thaumantias diaphana, Tiaropsis diademata, Margelis superciliaris. Es mag dieser vielleicht nicht sehr von der Wahrheit entfernt seyn. Da aber eine Untersuchung lebender oder coherenter Specimina nicht mir der Benutzung der Abbildungen gleichzeitig Statt gefunden hat, schien es mir doch zu gewagt, diesen Weg einzuschlagen, und ich zog es daher vor, in dem zum „Arctis Manual“ ausgearbeiteten Verzeichnisse diese sonst nicht literarisch als grönländische verbürgte Formen wegzulassen, da auch damals an eine Untersuchung des aufgezeichneten Materials, wegen zuf kurzer Zeit, nicht zu || denken war. Allerdings werden sich jetzt einige Resultate gewinnen lassen und werden diese Formen definitiv in die grönländische Fauna aufgenommen werden können. Möllers „Pontocardia glacialis“ gehört (mit 2 nicht numerirten Zeichnungen) zu Charybdea (Dodecabostricha) hyacinthina (Fabr.), wovon ein großes, rechtg interessantes Material in der 2ten Sammlung folgen wird.

Ferner lege ich noch eine Ihnen vielleicht unbekannt gebliebene Abhandlung bei, von meinem 23ten Jahre, eine Jugend Arbeit, die jetzt wohl erst kann ein historisches Interesse beanspruchen. Ihre Hauptidee, die Lage der Generationsorgane, auf der Scheibe oder den Manubien, schärfer als früher für die Systematik zu verwerthen, scheint mir daher heute ganz berechtigt.

Die Möllerschen Zeichnungen bleiben wohl am besten bei Ihnen bis zur Zurücksendung der zweiten späteren Abtheilung der Sammlung.

In der Hoffnung, dasz diese Sammlung einigermaszen Ihren Erwartungen entsprechen und die darauf zu verwendende Mühe lohnen wird, wünsche ich, im gemeinschaftlichen Interesse, glücklichen Empfang und verharre, geehrtester Hr. Professor, Ihr ganz ergebener und zu ferneren Diensten gern bereiter

Chr. Lütken

Hrn. Professor Dr. Häckel ||

Til |

Herr Professor Dr. E. Häckel |

Zoologizikei Museum |

Jena.

a mit Einfügungszeichen eingef.: vor allem den verstorbenen Inspector und später Director Hrn. Olrik,; b gestr.: ges; c eingef.: geographische; d gestr.: des, eingef.: der; e eingef.: auch; f eingef.: zu; g eingef.: recht

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
07.12.1877
Entstehungsort
Entstehungsland
Zielort
Jena
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 46437
ID
46437