Bartholomäus von Carneri an Ernst Haeckel, Wien, 11. März 1887
Wien 11. März 1887.
Verehrter und geliebter Freund!
Übermorgen sind es schon vier Wochen, daß Sie hier waren, und die lieben schönen Stunden, die Sie uns geschenkt haben, erscheinen uns allen wie ein lichter Traum. Wie viel rede ich mit meinen Kindern von Ihnen! Wir befinden uns alle auf dem Punkt, auf welchem Sie uns verlassen haben. Es ist dies die beste || Nachricht, die ich Ihnen geben kann, und hoffentlich geht es Ihnen gut und sind Sie mit dem, was Ihnen der Osten bietet, zufrieden. Haben Sie ein paar freie Minuten, so sagen Sie uns, wie es geht? Es bedarf unser Herz nur weniger Worte.
Neues von Belang weiß ich nichts. Das Septennat ist bewilligt, aber die Weltverhältnisse sind nach wie vor auf das Äußerste gespannt. Rußland || möchte, daß Deutschland, Deutschland möchte, daß Rußland anfange, und Eines von beiden wird anfangen, wenn der Zeitpunkt ihm günstig scheint. Den casus belli zu schaffen ist dann ein Leichtes. Wir werden nicht anfangen u. Frankreich auch nicht, aber hineingerissen werden in den kommenden Kampf alle, und angefangen haben wird, wie immer, der Karnikel. Wenn nur auf den Krieg ein Zustand folgt, in welchem die materiellen || Interessen Deutschlands u. Österreichs sich bessern, ohne daß die Entwicklung der geistigen Interessen gehemmt würde! Das ist es, was ich mir nicht recht vorstellen kann, und darum sehe ich den Riesenopfern, die der Krieg fordern wird, nicht ohne Bangen entgegen. Allein mein Humor leidet nicht darunter. Damit grüße ich Sie in meinem, Fritzi’s u. Richard’s Namen und schließe mit einem herzlichen Glückauf!
Ihr
treuergebener
B. Carneri