Bartholomäus von Carneri an Ernst Haeckel, Marburg an der Drau, 26. Juli 1886

Marburg 26. Juli 1886

Verehrter und geliebter Freund!

Vor allem, um wieder einmal zu hören, was Sie machen, schreibe ich diesmal, dann aber auch, weil ich eine Bitte habe. Es dauert oft sehr lange, bis ich die Seperatabdrücke aus dem „Kosmos“ erhalte, und ich kann nicht erwarten zu hören, was Sie zu meinem im eben ausgegebenen Juniheft erschienenen Aufsatz: Vergängliches und Bleibendes im Darwinismus sagen werden? Es kann sein, daß ich mich etwas verrannt habe; wenigstens habe ich das Gefühl, || weiter, als meine Fachkenntnisse reichen, mich eingelassen zu haben, in gewissen Details nämlich. Sie haben den „Kosmos“ gewiß. Zu machen ist leider nichts mehr; denn der Aufsatz ist bereits auch in der Sammlung gedruckt, die hoffentlich bald erscheinen wird, und auf deren Zusendung ich mich besonders der Einleitung wegen freue. Wenigstens kommen in der Buchausgabe drei Dinge nicht vor, die ohne mein Verschulden in den „Kosmos“ sich hineingeschlichen haben. S. 403, Zeile 19 von oben stehen 5 Punkte, die absolut nicht von mir herrühren. Dann soll es S. 405, Zeile 17 von unten Abänderung gen heißen. Endlich, und das ist gar blöd, bitte ich Sie S. 405, Zeile 4 von unten das eine, und den unmittelbar vorhergehenden || Beistrich zu streichen. Werden Sie wohl Zeit finden, Spitzers Buch zu lesen? Ich kenne ihn persönlich und er ist unstreitig ein bedeutender Mensch. Aber etwas zu sehr von sich eingenommen ist er auch, und die Weise, in welcher er die Vererbung abthun will, hat mich empört. Auch die Art, in der er gegen Sie vorgeht, ist mir, wie man bei uns sagt, über die Leber gelaufen. Nicht, daß er Sie nicht auch würdigte; (S. 230 u. 233.) Sie werden auch gewiß nicht alles, was Sie in so vielen Werken veröffentlicht haben, für unantastbar halten; aber gleich die ganze Vererbung sollen Sie aufgeben!

In neuester Zeit bin ich zwar ein sehr leidender Mensch; denn zu meinen übrigen physischen Fatalitäten gesellte sich ein in- || famer Schmerz im linken Bein, meinem einzigen guten, der mir alles Gehen fast unmöglich macht; allein meine Kinder sind wohlauf und auf Urlaub hier, fleißiger bin ich als je und bei all meinen Leiden ein glücklicher Mensch. Seit 8 Tagen – die Dummheit mit dem Fuß dauert schon fünf Monate – beginnt der neue Schmerz nachzugeben, wenig, aber die Besserung ist im Zug.

Was sagen Sie zum Deublerbuch? Es ist reizend gemacht, aber etwas zu indiscret. Mich hat Dodel-Port gegenüber Schultze und Rau schön eingetunkt. Es thut mir leid; denn Schultze beleidigen zu wollen, wäre mir nie eingefallen. Eine zweite Auflage wird’s nicht mehr bringen; mehr kann ich nicht thun. – Grün wird schön zugedeckt! Doch ich muß schließen. Möchten diese Zeilen Sie und Ihre Lieben recht wohlauf antreffen! Mit den herzlichsten Grüßen von meiner Tochter und mir Ihr treu ergebener

B. Carneria

a Text auf dem Kopf von S. 4, um 180°gedreht: -fen! Mit … B. Carneri

Brief Metadaten

ID
4634
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsland aktuell
Slowenien
Entstehungsland zeitgenössisch
Österreich Ungarn
Datierung
26.07.1886
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,4 x 22,9 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 4634
Zitiervorlage
Carneri, Bartholomäus von an Haeckel, Ernst; Marburg an der Drau (Maribor); 26.07.1886; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_4634