Bartholomäus von Carneri an Ernst Haeckel, Graz, 19. Januar 1884
Gratz 19. Jänner 1884.
Hochverehrter und geliebter Freund!
Morgen fahre ich nach Wien zum Reichsrath und dürfte bis Ostern dortbleiben. Ich kann aber Gratz nicht verlassen, ohne Ihnen für die herrliche Schilderung des Ceyloner Bergriesen gedankt zu haben, die Sie ganz in unsere Nähe versetzt hat, und Ihnen zu sagen, daß ich seit drei Tagen wieder ein „Bei mir“ habe. Ich habe eine sehr behagliche Wohnung bezogen – Franzensplatz 1. und finde mich bereits ganz zurecht in meiner neuen Existenz. Was mir übrigens die Sache vor allem erleichtert hat und ohne Vergleich wirksamer war als mein leichtes Naturell und meine gesammte Philosophie ist Fritzi’s || wunderbarer Charakter und daß sie wie ein Kind sich freut über die schöne Wohnung und ihre neue Hausfrauenstellung. Ich weiß, wie innig Sie an uns hängen, und daß ich Ihnen einen Stein vom Herzen nehme, wenn ich Ihnen sage, daß Sie uns hier so heiter und vergnügt finden würden, wie Sie uns dort gefunden haben.
Von verschiedenen Seiten wird mir der Vorwurf gemacht, ich habe Fritz Schultze zu liebenswürdig behandelt. Wie wenn eine Kritik weniger treffend sein müßte, weil sie höflich ist! Ich gebe wohl zu, daß der Umstand, daß Schultze zu den bedeutendsten Mitarbeitern des „Kosmos“ gehört, und daß ich meinte, er sei Ihr specieller Freund, viel beigetragen hat, meinen Ton zu mäßigen. Allein geschenkt habe ich ihm nichts, und das tiefe „Glaubensbedürfniß“, das ich ihm zuschreibe, ist eine nicht mißzuverstehende Ironie.
Wie gern würde ich noch fortplaudern, || aber ich muß schließen. Der Grund dieser Zeilen war nur, Sie zu grüßen und über uns zu berichten. Von uns allen alles Schöne. Möchten diese paar Worte Sie und Ihre Lieben im besten Wohlsein antreffen, u. bleiben Sie immer so gut
Ihrem
treuergebenen
B. Carneri
Mein nächster Artikel beschäftigt sich mit Du Prel’s Traumphantasien.