Wildhaus 8. Juni 1882.
Verehrter und geliebter Freund!
Sie können keine Ahnung haben von der Freude, die mir Ihr Brief gemacht hat. Ich hätte mich aber auch nie mit meinem Antrag hervorgewagt, wenn ich nicht gewußt hätte, daß Sie, wie ich, zu den Menschen gehören, die essen um zu leben, und nicht leben um zu essen. Raum, Sie aufzunehmen, habe ich reichlich, wogegen die Ernährungsmittel auf dem Lande sehr einfacher Natur sind. Allein Sie werden vorlieb nehmen, wenn ich Sie behandle wie mich selbst, und heiter werden wir sein wie die Götter. Mit || Beginn des August erwarte ich Sie in Gesellschaft Königsbrunn’s, und je länger Sie bleiben, desto länger wird die Freude dauern, die nur Sie mir so groß und schön bereiten können.
Die Kärntnerbahn dürfen Sie nicht benützen und haben in Marburg abzusteigen. Ein paar Tage früher schreiben Sie mir den Zug, mit dem Sie ankommen, und ich hole Sie in Marburg ab. Das bleibt ausgemacht. Von Gratz kommend, dürfte Ihnen der Schnellzug der bequemste sein, der Sie in fünf Viertelstunden nach Marburg bringt; es ist derselbe Zug, mit dem ich Sie nach || Ceylon fahren sah. Mir kommt’s wie im Traum vor.
Heute noch fahre ich nach Gratz zum Landtag und bin in drei Wochen hier, um mich bis halben November nicht mehr fortzubewegen. In der ersten Hälfte Juli gebe ich Ihnen wieder ein Lebenszeichen. Tausend Dank für den 3. indischen Reisebrief: man kann nicht besser schildern.
Möchten diese Zeilen Sie und Ihre Lieben im besten Wohlsein antreffen, und bleiben Sie immer so gut
Ihrem
dankbar ergebenen
B. Carneri