Ella von Crompton an Ernst Haeckel, Groß Brütz, 20. Februar 1919.

Jagdhaus, 20. Februar 1919.

Hochverehrte Excellenz,

heute erhielt ich Ihren lieben, gütigen Brief mit der lieben, guten Karte für Trautchen und der inliegenden Kostbarkeit für ihre Sparbüchse. Innigsten, aufrichtigsten, herzlichsten Dank, lieber, guter Herr Geheimrat! Doch bin ich in rechter Sorge, daß Sie, mein guter, lieber Adoptivvater sich in dieser bitter schweren Zeit, in der Sie in Ihrem hohen Alter auch noch pekuniär zu kämpfen haben – sich berauben u. klein Trautchen noch solch ein Geschenk machen.

Es ist so rührend lieb u. gut von Ihnen, liebster Herr Geheimrat, mir so umgehend zu schreiben, wo Sie mit Ihren Briefschulden schon so so überlastet sind. Eine Pensionärin hält sich das Hamburger Fremdenblatt, darin gab sie mir den Artikel zu Ihrem Geburtstag von Dr. Michelson, (derselbe Herr, den ich s. Zt. in Jena bei Ihnen traf) – – – es sind so hübsche Abbildungen von Radiolarien drinne – auch wohl ein neues Bild von Ihnen? Trautchen erkundigte sich sehr interessiert, wo Sie dadurch gucken? (Lupe) Ich gab ihr daraufhin gleich meine, mit der sie nun den ganzen Sonntag hinbrachte. Haben Sie vielleicht von dieser Aufnahme eine Karte? Ich wäre Ihnen so dankbar dafür.

Trautchen, die erkältet ist und nicht heraus kann, sendet Ihnen inliegendes Schneeglöckchenknöspchen, das ich ihr heute früh als Gruß aus ihrem kleinen Gärtchen brachte. Der kleine Sonnenschein ist so tief u. so poetisch veranlagt, daß Alles u. Jedes in der Natur draußen für sie Stimme u. Leben hat – sie kann nie genug von Allem hören – von einer unglaublichen Wißbegierde – Bücher u Geschichten ist ihr Schönstes – – – Da mein Mann seit über einer || Woche krank liegt, lege ich sie Abends immer in meinem Zimmer zur Ruhe – auf Ihr schönes „Haeckel“-Sopha – bis ich sie Abends, wenn ich schlafen gehe, herüberhole – sie schläft köstlich darauf u. behauptet, es schliefe sich am schönsten darauf unter Ihren Aquarellen, dem Goethe-Häuschen, Dornburg etc.

2 neue Anmeldungen habe ich für’s Frühjahr wieder – ein ewiger Kampf mit der Misere des Lebens – wie ein frischer Geisteshauch weht dann eine Zeile von Ihrer lieben Hand da hinein u. hebt mich für Augenblicke hinaus aus all dem Wirrsal und Not. Von ganzem Herzen wünsche ich Ihnen, liebster, guter Herr Geheimrat, nur Alles Gute, doch was soll man einander eigentlich jetzt noch wünschen – ein paar gute Stunden im Zeichen Goethe’s – – – – mit einem süßen Küßchen von kl. Trautchen an ihren lieben, alten Paten-Onkel bin ich stets und immer

Ihre Sie so hochverehrende, Ihnen treu u. innigst dankbar ergebene

Elli von Crompton

Brief Metadaten

ID
4578
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
20.02.1919
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
2
Umfang Blätter
1
Format
21,5 x 28,7 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 4578
Zitiervorlage
Crompton, Ella von an Haeckel, Ernst; Groß Brütz; 20.02.1919; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_4578