Ella von Crompton an Ernst Haeckel, Groß Brütz, 26. März 1918.

E. V. CROMPTON | JAGDHAUS GR. BRÜTZ | BEI SCHWERIN IN MECKL. | POST WITTENFÖRDEN

26.III.18.

Hochverehrte Excellenz,

innigsten Dank für Ihre lieben Zeilen! Mit gleicher Post sende ich Ihnen per Eilboten 1 Päcklein mit 10 Stck. frisch gelegten Eiern u. 1 Stückchen Butter als kleinen Ostergruß u. hoffe, daß es gut in Ihre Hände gelangen wird u. Ihnen etwas gut tun. Leider wird es ja wie überall auch hier mit Allem schlimmer, trotz Ukraine und unserer glänzenden Siege – Wir sollen jetzt pro Huhn 25 Eier abliefern (Hähne miteingerechnet?) nach Zählung vom 1. Dez. Seitdem ist verschiedenes teils geschlachtet – teils eingegangen u. vor Allem bei dem mangelhaften Futter legen sie schlecht. –

Ich freue mich nur so von Herzen, daß es Ihnen, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat, verhältnismäßig gut geht, und Sie das Frühlingserwachen von Ihrer Warte aus in Freude miterleben können. Ich wünschte und hoffe nur sehr, daß ich Sie vielleicht doch noch einmal wiedersehen darf. Das wäre meine größte Freude.

Mein Haus wird wieder recht voll – Für April habe ich jetzt im Ganzen 14 junge Mädchen, die alle sofort nach Ostern eintreffen, 2 sind bereits schon hier. Ich freue mich darüber, hoffe ich doch auf diese Weise etwas von der Zukunft || doch fürchte ich mich vor dem 1. Vierteljahr, wie ich indem zurechtkommen werde, da ich so sehr viele Ausgaben darin zu begleichen habe. Alles ist jetzt so entsetzlich teuer, dazu nur auf Umwegen zu erlangen – in letzter Woche mußte ich mir einen neuen Herd setzen lassen, weil der nicht für die Menge Menschen genügte – in dieser Woche habe ich Maurer im Hause, um auf dem Boden noch 3 neue Zimmer abteilen zu lassen, dann noch tapezieren etc. Dabei machen wir das Letztere Alles selbst, überhaupt ziemlich Alles – trotzdem – Außerdem Holz eingekauft – zum Kochen – das mir die Augen übergegangen sind – Auch mußte ich mich doch schließlich etwas eindecken, um die Menschen hernach Alle satt zu bekommen – Bettstellen etc. Alles um 200 % teurer geworden seit dem Herbst. Dazu noch die horrenden Löhne jetzt – und die muß ich zahlen – denn sonst macht das Personal mehr Ärger u. Arbeit, als daß es abnehmen soll. Ich habe allein ohne Krankenkasse u. Invalidenmarken f. Personal allein an Lohn zu zahlen pro Monat 270.- Mk. Da ist meine Gärtnerin, Russen Alles dabei u. die Kräfte sind dabei noch kaum genug f. Alles. Ich habe nun doch Trautchen’s Sparkasse abheben müssen mit dem Porträthonorar – und sehe keine Möglichkeit, es ihr wieder zusammenzuarbeiten. Vor 14 Tg. hatte ich einen 4fachen Miniaturauftrag f. meinen alten Mäzen Hr. van Santen vollendet – das Geld verschwand auch im Handumdrehen für unbedingt Nötigstes. Ich kann garnicht daran denken, wo ich doch blos f. Trautchen sorgen will und sie mal etwas sichern. Außerdem haben wir so Pech mit unseren Bienen gehabt – das war nämlich das Einzige – was die Unkosten hereingebracht hat durch den schönen Honig. Da sind alle Stöcke bis auf Einen – an Bienenpest eingegangen. Was das für mich bedeutet, besonders bei meinem vollen Haus, können Sie wohl ermessen. Trautchen war jetzt ein paar Tage krank an Fieber; ich ängstigte mich recht. Doch geht es ihr heute wieder besser. Da schicke ich gleich das Päcklein ab an Sie.a ||

Zum Malen komme ich leider wohl kaum mehr. Es sei denn vielleicht noch 1 x in Jena ?! – – – Ich räume jetzt sogar mein Atelier als Arbeitszimmer für das junge Volk ein – jedoch mein wunderschönes Haeckel-Sofa habe ich mir unten in mein kl. Zimmer genommen, damit es mir nicht ruinirt wird und ich mich in Stunden, wenn Alles um mich herum schwankt, darauf zur Ruhe u. wieder zurecht finden kann. Wenn es mir vielleicht doch noch gelingen sollte, mich durch Alles durchzukämpfen u. meine Hilfskräfte gute sind, komme ich vielleicht doch noch mal in einer stillen Erholungsstunde dazu, meinen geliebten Pinsel in die Hand zu nehmen. Ach, Sehnsucht habe ich genug danach. Mit meinen 3 ältesten (19jähr, die sich die alten Jungfern nennen) habe ich ein paar schöne, wie wir sie nennen Goethe-Abende genossen. Ich muß Ihnen dann jedesmal den Hymnus an die Natur aus Ihrem „Natürl. Schöpfungsgeschichte vorlesen; daran anknüpfend dann Vieles Andere, die jungen Dinger weiterfördende.

Es ist eine Freude, die Begeisterung, auf den jungen Gesichtern zu sehen u. die Empfindung zu haben, daß es einem doch gelungen ist, einen Funken idealen Strebens in solch junges Gemüt geworfen zu haben. Mein Trautchen wachte eines Abends auf u. wollte wissen, wovon wir || gesprochen, da sagte ich ihr etwas davon. Jetzt bittet sie andauernd; ich möchte ihr doch noch von Weimar u. Jena erzählen. Sie weiß, daß „Onkel Haeckel“ die Radiolarien gezeichnet u. beschrieben hat, daß Goethe den „Faust“ u. „Sah ein Knab’ ein Röslein stehen“ geschrieben hat. Ich hoffe, daß sie auch mal, ein für Alles Hohe u. Gute begeistertes Menschenkind werden wird. Wenn mir das gelingen würde u. auch für ihre Zukunft sorgen zu können, dann wäre ich beruhigt u. hätte doch nicht umsonst gelebt u. würde mich gern weiter mein ganzes Leben quälen.

Doch nun, mein lieber, guter Herr Geheimrat, Alles Gute für das kommende Frühlingsfest, mein Mann sendet Ihnen eine ergebene Empfehlung, Trautchen ein süßes Küßchen, u. ich bin immer u. stets mit innigsten Grüßen stets Ihre Sie so hochverehrende,

Ihnen treu u. aufrichtig dankbare Adoptivtochter

Elli von Crompton geb. Gewert.

P. S. Ich würde mich stets sehr innig freuen über irgend ein Buch, das Ihnen entbehrlich wäre.

a weiter am Rand: ängstigte … an Sie.

Brief Metadaten

ID
4556
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
26.03.1918
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
17,4 x 25,5 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 4556
Zitiervorlage
Crompton, Ella von an Haeckel, Ernst; Groß Brütz; 26.03.1918; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_4556