Ella von Crompton an Ernst Haeckel, Groß Brütz, 15. Januar 1918.

Jagdhaus Gr. Brütz, 15.I.18.

Hochverehrte Excellenz,

kürzlich las ich den Artikel von Magnus Hirschfeld über Ihre „Krystallseelen“ und entnahm ich daraus mit tiefem Schmerz, daß es Ihnen, liebster, guter Herr Geheimrat, auch an Milch mangelt. Darum habe ich mir sterilisierte Büchsenmilch für Sie unter der Hand besorgt. Die Sendung verzögerte sich nur durch die furchtbaren Schneeverwehungen der letzten Tage, heute nun hat sich unser russ. Gefang. Iwan den Weg nach Gr. Brütz gebahnt, um das kl. Wertpaket f. Sie herzubringen. Wert 100 Mk. Hoffentlich gelangt Alles gut in Ihre Hände. Inh: 4 Bchs. sterilis. Voll-Milch (die letzte, darf jetzt nur noch in Magermilch hergestellt werden) 1 kl. Cervelatwurst (ganz frisch aus dem Rauch) etwas Schweineschmalz, 1 Stck. Speck, 1 Pfund Kindernahrung f. Suppen f. Sie, lieber, guter Herr Geheimrat, 1 Bchs. Sago, etwas Honigkuchen. Ich wünsche gute Ankunft u. daß es Ihnen Alles gut schmecken u. tun möchte. Gelegentliche Rücksendung des Kartons wäre mir sehr lieb, da Verpackungsmaterial nicht mehr erhältlich.

Von Herzen hoffe ich, daß es Ihnen soweit gut geht, u. Ihr Herz nicht mehr so arge Beschwerden macht.

Ich danke Ihnen so herzlich für Ihre liebe Büchersendung, u. lieben Brief, die ich vor ein paar Tagen erhielt u. die mich innig erfreute. Mit dem Dank wartete ich nur noch bis zur Absendung der vorgenannten Kleinigkeiten.

Heute nun hielt ich auch noch soeben Ihren letzten, lieben || Brief. Es tut mir ja zu leid, daß ich Ihnen kein Brennmaterial senden kann. Das ist wirklich furchtbar, daß Sie so allein in dem kalten, einsamen Hause hausen müssen. Daß die Entfernung so arg weit ist, bedaure ich immer zu sehr. Vielleicht kann ich es aber wirklich zum Frühjahr od. Sommer noch 1 x einrichten, Sie nochmals zu besuchen. Das wäre ja einfach köstlich u. meine Vorfreude darauf ist jetzt schon grenzenlos. Bitte, lieber, guter Hr. Geh. schreiben Sie mir bitte ganz offen, womit ich Ihnen nochmal wieder etwas helfen kann, damit Sie doch ein klein wenig bei Kräften bleiben. Wenn ich es irgend machen kann, schicke ich Ihnen Alles, lieber, guter Herr Geheimrat.

Eine Frage u. ev. Bitte habe ich an Sie, hochverehrter Herr Geheimrat, Mein Mann hat mir zu Weihnachten 1 kl. Projektionsapparat besorgt. Haben Sie vielleicht unter Ihren Schätzen ein paar überflüssige Diapositive od. Radiolarienpräparate, die Sie mir senden könnten? Ich wäre Ihnen ja so von Herzen dankbar dafür. Augenblicklich bin ich dabei für Trautchen zum 24. I. (dann wird sie 4 Jahre alt schon, die kl. Krabbe) ein paar Glasbildchen mit Märchen zu schmücken für den Zweck. Ich hoffe, daß es gelingen wird. Noch eine Frage, besitzen Sie vielleicht das Buch von Dr. Heinr. Schmidt, Goethe’sche Aussprüche chronologisch gesammelt? Ich las neulich eine Besprechung darüber. Außerdem haben Sie schon durch Ihren Hr. Sohn, der es Ihnen ausgeführt hat, erfahren den Verlag des schönen illustr. Buches über Wagner’s Nibelungen-Gestalten u. genauen Titel des Buches.

Zu Weihnachten machte mein Mann mir die große Freude u. schenkte mir Goethe’s Maske v. Schadow, einfach Gips. Ich habe sie nur gleich getönt und ist mir der hohe, feierliche Abguß nun auch eine liebe Bereicherung meines Zimmerchen’s. Da weilen meine Gedanken so oft in Ihrem lieben, friedlichen Arbeitszimmer mit seinen hohen Bücherschränken u. oben darauf der schöne Goethe-Abguß. – Was machen denn Ihre Aquarelle? Herzlichsten Dank für den mich so sehr interessierenden Artikel. Mit einer Empfehlung von meinem Manne u. einem herzlichen Küßchen an ihren lieben Paten-Onkel

Alles Gute u. Liebe Ihre Sie so hochverehrende, Ihnen treu u. innig

dankbar ergebene Elli von Crompton

Brief Metadaten

ID
4552
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
15.01.1918
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
2
Umfang Blätter
1
Format
17,0 x 25,6 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 4552
Zitiervorlage
Crompton, Ella von an Haeckel, Ernst; Groß Brütz; 15.01.1918; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_4552