Adolf Giltsch an Ernst Haeckel, Jena, 28. August 1897

Jena, den 28. August 1897.

Verehrtester Herr Professor!

Ihre Bildzusendung habe ich durch H. Pohle erhalten und danke ich Ihnen für die Schnelligkeit der Zusendung. Leider hat sich durch die Nebenumstände die so ersehnte Arbeit nothwendigerweise hinausgeschoben, denn ich kann nun doch nicht so darauf los werken. Zunächst hielt ich es nicht für gut, das verkleinerte Format durch einfaches Verkürzen zu erlangen. Ich habe mich deßhalb an das Zeißsche Geschäft gewandt und die betr. Herren, denen ich einige Mal gefällig war haben mir das Bild auf 34 cm Länge verkleinert, dabei habe ich mir durch entsprechende Schrägbeleuchtung die Narben des Papieres gleich verstärken lassen. Gestern Abenda habe ich dasb Photogramm durch Herrn Trinkler erhalten und zwar als Geschenk. ||

Ich hatte nun aber meine Kopie Ihres Originals nicht als eine Verbesserung, wohl aber als vereinfachte Form ausgeführt. Kraftstellen ließen sich hierauf ebenso gut anbringen als auf dem Original, zur Reproduktion gehören dann nur mehr Farbeplatten. Ich hatte die durchgehende neutrale Farbe als Hauptzeichnungsplatte gedacht, worauf die Nuancierungc dann durch verlaufende Töne zu bewirken war. Schließlich kam eine Kornprägung darauf welche bei allen späteren Tafeln benutzt werden konnte. Jetzt wird dies ganz anders. Jedenfalls hat ja die Plastik und die Leuchtkraft Ihres Bildes sehr gewonnen, auch ist ja die Rippung des Papieres und die eigenthümliche leichte Wellung des Himmels und Wassers ganz pikantd und wirkungsvoll; technisch ist die Geschichte aber hierdurch || recht verzwickt geworden. Es muß nun die Prägung mit der Zeichnung genau übereinstimmen, denn die schrägen Lichtstellen müssen eben auf die Lichtseiten der geprägten Rippen kommen und die dunkeln Schattenstreifen auf die vom Lichte abgewandte Seite der Rippen, sonst wäre es eine verunglückte, unsinnige Arbeit. Die Wirkung Ihres Bildes läßt sich überhaupt nur durch eine bis ins kleinste gehende, ganz genaue Wiedergabe, sowohl aller Farbunterschiede als auch Form jedes kleinsten Fleckes erreichen. Ich möchte mich nicht der unangenehmen Situation aussetzen, nach geschehenem Probedruck, bei der doch unvermeidlichen Kritik des Herrn Prof. Körnere, bei leichtsinnigem Weglassen so vieler mit nöthig erscheinenderf Kleinigkeiten, achselzuckend doch eben nur als provinzialer Stümper (wenn auch sonst ganz guter Kerl) angesehen zu werden. ||

Alle Kritik ist ja in irgend einem Punkte berechtigt, aber sie fragt nicht nach dem Grunde, weßhalb das oder jenes nicht so erscheint, wie es erscheinen soll.

Ich habe nun mit meinen Gehilfen die Herstellung möglichst scharf durchberathen. Es sind demnach mindestens 17 Farbenplatten und eine Prägeplatte nöthig. Dies macht bei 500 Auflage zusammen 9000 Druck. g Auf 100 Druck kommen je 2 Fehldrucke, diese verlangen einen Zuschuß von 180 Blatt, und so müssen bei einem Ueberschuß von 20 Blatt: 520 + 180 = 700 Druck durch 18 Farben gedruckt werden. Wenn ich für 500 Auflage in einer Farbe 15 Mark (pro 100 = 3 Mark) rechne, so habe ich in Wirklichkeit nur wenig über 2 Mark und doch kommen hierdurch 270 Mark zusammen. 18 Steine + 1 Contourenstein mit Abklatschen kosten zus. c. 55–60 Mark herzurichten (Körnen, Abklatschen). ||

Als mindeste Zeit für Lithographie kommen 73 Tage heraus, à Tag 5 Mark (M. 4,40 Lohn) macht 365 Mark, Andruck & Probedruck von 18 Steinen c. 50 Mark, Kupferdruckpapier = c. 30 Mark, 1 Kartenbogen zum Aufziehen mit Rahmen und Unterschrift (1 Bogen je 20 ₰) mit Beschneiden d. Drucke u. Aufkleben c. 25 ₰, 500 Carton = 125 Mark. So rechnet sich dann eine Gesammtsumme von 895 Mark zusammen, ohne daß ich selbst etwas für eigene Zeitversäumnißh oder vorkommende Unfälle berechnet habe; auch wird sich wohl noch ein Nachkoloriren einzelner Drucke nöthig machen.

Mich erschreckt diese Summe, damit kommen wir nicht weit und es ist nicht von der Hand zu weisen, ein anderes Verfahren zu wählen, obgleich ich Ihnen keines vorzuschlagen weiß. Vielleicht kann Ihnen Herr Dr. Hans Meyer rathen. Die wissenschaftlichen Tafeln kann ich ja immer noch ausführen, wenn auch die Landschaften vielleicht nicht. || Auf eine einfachere lithographische Herstellung ähnlich meiner Kopie zurückzukommen hat ja keinen Zweck. Wenn Sie die i photogr. Kopie, welche bei Zeiß mit einer sogen. Gelbscheibe (um die verdunkelnde Wirkung d. gelben Farbe zu neutralisiren) gemacht wurde, sehen würden, dann würden Sie wohl das unzulängliche einer photochemischen Reproduktion, welche ohne ganz besondere künstlerische Beihülfe nicht befriedigen könnte, leicht einsehen. Ob daher Photozinkätzung j und Farbendruck mit Zinkplatten auf der Buchdruckschnellpresse zum Ziele führen könnte, kann ich nicht sagen. Aber soviel weiß ichk daß die Herstellungsunkosten für Bilder mit Faksimile-Reproduktion das ganze Werk in Frage stellen müssen, selbst wenn ich mir vornehmen wollte, für eines oder mehrere Bilder je ein paar hundert Mark Lohn nicht zu rechnen. Ich erbitte mir deßhalb || eine Äußerung Ihrerseits und halte es doch schließlich für’s Beste zu warten, bis Sie Selbst wieder zurück sind. Die Embryonentafeln sind ja fertig, ich will aber mit der Zusendung warten bis noch mehr fertig sind. Die Letzten Probedrucke haben dann Zeit bis zu Ihrer Rückkehr.

Es thut mir recht sehr leid, daß ich wieder einen Ihnen und mir jedenfalls unliebsamen Zwischenfall hervorrufen muß, es ist aber besser vorher alles zu bedenken als hintenach zu jammern.

Indem ich wünsche und hoffe, daß Sie recht gesund und befriedigt Ihre Reise fortsetzen können begrüßt Sie Ihr treu Ergebener

Ad. Giltsch.

a eingef.: Abend; b korr. aus: dur; c korr. aus: Nuanzierung; d korr. aus: pickant; e korr. aus: Kröner; f korr. aus: scheinender; g gestr.: Bei; h korr. aus: Zeitschversäumniß; i gestr.: Ko; j gestr.: f; k eingef: ich

Brief Metadaten

ID
451
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
28.08.1897
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
7
Umfang Blätter
4
Format
11,4 x 17,7 cm; 11,5 x 17,7 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 451
Zitiervorlage
Giltsch, Adolf an Haeckel, Ernst; Jena; 28.08.1897; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_451