Ella von Crompton an Ernst Haeckel, Sommerhausen b. Würzburg, 27. Juni 1913.

z. Zt. Sommerhausen b. Würzburg

27.6.13.

Hochverehrte Excellenz,

Ihnen von ganzem Herzen dankend für Ihre lieben Zeilen, freue ich mich schon sehr, Sie in ungefähr 4 – 5 Wochen in Jena besuchen zu dürfen und Ihre reichen Aquarellstudien dabei bewundern zu dürfen. Es freut mich sehr, daß es Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin besser geht u. wünsche ich ihr nur von ganzem Herzen weiter recht gute Besserung.

Vor 8 Tagen bin ich hier mit der jungen Grf. angekommen, die am Dienstag voriger Woche in Berlin eintraf und || der ich in den 2 ¼ Tg. noch Berlin und seine Kunstschätze, Potsdam im Fluge zeigte. Sie kannte Berlin noch nicht u. machte es mir viel Freude ihr unberührtes Entzücken und ihre reine Freude an all dem, was sie sah, zu erleben.

Hier haben wir allerdings in diesem Jahr schlechtes Wetter. Immer kühl und regnerisch, sodaß wir beim Malen eigentlich mehr auf Interieur’s angewiesen sind; was ja auch recht lehrreich, aber lange nicht so erholend wie draußen in der schönen Natur ist.

Gestern war der einzig schöne, auch etwas wärmere, sonnige Tag und den benutzten Grf. Hildgard u. ich auch gleich, um in || der Frühe nach Rothenburg o./d. Tauber zu fahren, um meinen Geburtstag dort zu feiern im Malen und Bewundern von all dem Schönen. Besonders begeistert war ich von den schönen Blicken in das Taubertal hinab. Wir sind dort recht fleißig gewesen und kamen hier um 11 erst heim und wurden von der Bahnstation von einem Bruder der jungen Grf. abgeholt. Zu Hause fand ich dann in meinem Zimmerchen auf einem Tischchen unter Rosen einige hübsche Sachen u. Bücher aufgebaut. Ich war sehr lieb von all dem überrascht, daß sie sich den Tag, noch vom Vorjahre, in dem sie denselben nachträglich aus Karten, die ich bekommen, erfahren hatten, sich noch so genau gemerkt hatten u. so liebevoll sich daran erinnert. Ich freue mich überhaupt recht, daß ich wieder hier bin, da sie Alle sehr || nett zu mir sind und ich mir keine liebenswürdigere, angenehmere u. fleißigere Schülerin wünschen kann als Grf. H. Auch sind ja hier noch eine Unmenge an Motiven da. Hoffentlich wird nur das Wetter besser, daß wir tüchtig noch malen können. Ich freue mich schon recht, Ihnen, lieber, guter Herr Geheimrat, die Studien zeigen zu können. Obgleich ich nie mit Allem zufrieden bin. Ich bin manchmal ganz unglücklich darüber. Die Hälfte des Lebens ist vorbei und ich habe eigentlich noch nichts erreicht; das was mir vorschwebt als wirklich Schönes, werde ich ja doch nie erringen. Aber wissen Sie, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat, auf der Kunstausstellung in B. waren Grf. H. u. ich ganz entsetzt, über die vielen Scheußlichkeiten u. das hat nun einen Namen und wird gefeiert. Man sollte sich eigentlich schämen, ganz abschreckende, unmögliche Farbenorgien u. zeichnen überhaupt können die wenigsten.

Doch nun leben Sie herzlichst wohl, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat, bitte eine Empfehlung an Ihre hochverehrte Frau Gemahlin und Ihnen Alles Liebe u. Gute, von Ihrer Sie so hochverehrenden, Ihnen stets treu u. aufrichtigst dankbar ergebene

Ella von Cromptona

a weiter am Rand: hochverehrte Frau … vom Crompton

Brief Metadaten

ID
4474
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
27.06.1913
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 4474
Zitiervorlage
Crompton, Ella von an Haeckel, Ernst; Sommerhausen; 27.06.1913; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_4474