Ella von Crompton an Ernst Haeckel, Steglitz, 17. Mai 1912.

Steglitz – Albrechtstr. 72.

17.V.12.

Hochverehrte Excellenz,

eine sehr, sehr große Freude haben Sie mir heute durch Ihren lieben, guten Brief und Übersendung der „Cellular-Ethik“ von Wilh. Kleinsorgen mit der gütigen, lieben Dedikation bereitet, und danke ich Ihnen aus tiefstem Herzen recht innig und aufrichtig dafür, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat. Ich habe es ja noch nicht gelesen, aber beim Durchblättern fand ich schon, daß der Verfasser ein echter Schüler von Ihnen sein muß und freue ich mich deshalb schon sehr auf die || Lektüre. Nur betrübt es mich aufrichtig, daß es mit Ihrer Gesundheit noch immer nicht gut geht. Genießen Sie denn jetzt auch tüchtig die schöne Frühlingsluft, hochverehrter, lieber Herr Geheimrat? Bitte, bitte seien Sie doch nur soviel als möglich draußen. Recht, recht gute Besserung wünsche ich Ihnen aus Herzensgrund!

Es freut mich aber sehr, daß die Ordnung Ihrer Sachen unter der Assistenz Ihres Herrn Sohns so fortschreitet. Das ist Ihnen doch sicher eine große Freude.

Ich danke Ihnen auch von Herzen, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat, daß Sie solch warmen Anteil an || mir nehmen und freut es mich auch sehr zu hören, daß Ihnen meine kleinen Arbeiten Freude bereiten; dann haben sie ja ihren Zweck erfüllt.

Nun kann ich Ihnen heute auch etwas Angenehmes von mir mitteilen. Der Arzt drang sehr darauf, daß ich für einige Wochen zur Erholung auf’s Land sollte und da mir dazu die Mittel fehlten, inserierte ich im „Daheim“. Da meldete sich Frau Erbgräfin von Rechteren in Sommerhausen b. Würzburg: Freier Aufenthalt dort für 6 Wochen gegen Erteilung von Malstunden an ihre junge Tochter in Landschaft und Blumen. Am 3. Juni soll ich hinkommen. Ich freue mich natürlich sehr darüber, umsomehr als mein Mann für die || Dauer meines Fortsein’s eine Einladung zu einem früheren Freunde in nächster Nähe von Pyrmont erhalten hat. So ist doch wenigstens einmal wieder ein kleiner Lichtblick. –

Von dem Verlag erhielt ich noch eine Karte „daß sie im Begriff wären einen Autor in Berlin zu suchen und mir dann Weiteres mitteilen würden.“ – Nun muß ich eben abwarten, ob sie einen Autor in Berlin finden werden und dann von mir weiter zeichnen lassen werden – Herr Dr. Vogtherr hingegen sagte mir, daß er wahrscheinlich sein Chemisches Laboratorium aufgeben würde und sich ganz dema botanischen Werke widmen wollte. Ich halte ihn jedoch für voll-||ständig aufgebraucht, und glaube kaum, daß wir dann besser vorwärts kämen. Ich wünschte doch lieber, mit einer arbeitsfreudigeren und tüchtigeren Kraft zusammen arbeiten zu können, denn die Arbeitsweise von Hr. Dr. V. bringt einen wirklich zur Verzweiflung. Nun habe ich seit Ostern noch 3 Tafeln fertig, zu denen er mir nur noch die mikroskopischen Schnitte von „Flechten“ und „einer Grasart“ machen soll. Ich bin nun schon verschiedentlich bei ihm gewesen, dann hat er immer meine Tafeln zu Hause und er würde mir Alles zuschicken. Täglich telefoniere ich ihn nun an, Alles vergeblich, er hat keine Zeit, um die Kleinigkeiten zu machen, daß wir die Tafeln noch nach-||liefern können. Dabei habe ich ihm gesagt, daß ich jetzt bald fortfahren und das Geld für die Tafeln vorher noch sehr notwendig brauche; er kennt ja doch auch meine Verhältnisse; aber es ist Alles zwecklos; er macht es einfach nicht.

Eine andere Tafel habe ich ganz umsonst gefertigt; da malte ich nach seinen Angaben Bibotiumb, auch mit mikroskopischen Einzelheiten. Nach ein paar Wochen der Fertigstellung hieß es plötzlich, daß der Stamm von Cibotium nur 80 cm lang ist und die Wedel 3 – 4 m. Da war danach natürlich der ganze Habitus falsch und die ganze Arbeit umsonst. – Ich werde Herrn Dr. V. gegenüber sehr vorsichtig sein, || vorläufig, wenn ich nun verreise, kann ich ja doch nicht bei ihm anfangen und späterhin werde ich es mir noch sehr überlegen mit Bakteriologie, zum mindesten recht vorsichtig sein. –

Nun hoffe ich nur von ganzem Herzen, daß meine Zeilen Sie bei möglichst guter Gesundheit antreffen möchten, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat, und wünsche Ihnen herzlichst recht gute Besserung. Bitte mich Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin bestens zu empfehlen.

Mit nochmaligem innigstem Dank und herzlichsten Grüßen, denen mein Mann sich anschließt, bin ich immer

Ihre Sie stets hochverehrende, Ihnen aufrichtig und treu ergebende, Ihnen innigst dankbare

Ella von Crompton

a korr. aus: der; b korr. aus: Bimbotium

Brief Metadaten

ID
4444
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
17.05.1912
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
7
Umfang Blätter
4
Format
12,9 x 17,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 4444
Zitiervorlage
Crompton, Ella von an Haeckel, Ernst; Steglitz (Berlin); 17.05.1912; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_4444