Crompton, Ella von

Ella von Crompton an Ernst Haeckel, Steglitz, 2. Mai 1912.

Steglitz – Albrechtstr. 72.

2. Mai 1912.

Hochverehrte Excellenz,

durch Ihre lieben, guten Zeilen und das prächtige Büchelchen „Natur u Mensch“, sowie das begleitende „Süße“ haben Sie mich sehr, sehr erfreut, und danke ich Ihnen, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat, recht innig und aufrichtig dafür.

Es betrübt mich sehr, von Ihnen zu hören, daß es Ihnen, sowie Ihrer Frau Gemahlin nicht gut geht. Von Herzen wünsche ich Ihrer verehrten Frau Gemahlin recht gute Besserung, hoffentlich hilft das schöne Wetter mit zur baldigen, völligen || Wiederherstellung. Es tut mir so aufrichtig leid, daß Sie noch immer nicht Ihre Beweglichkeit wieder erlangt haben. Doch freut es mich sehr, daß Sie sich den Stützapparat haben bauen lassen. Haben Sie bitte nur Mut, wenn auch das Tragen desselben im Anfang sehr unbequem ist, der Apparat wird Ihnen aber sicher helfen, daß Sie besser gehen können und Ihnen tut doch vor allen Dingen Bewegung sehr not. Bitte benutzen Sie doch jetzt recht sehr das schöne Frühlingswetter, das unser liebes Jena, an das ich mit viel Sehnsucht denke, wieder prächtig ausschauen läßt, und gehen Sie bitte tüchtig und viel hinaus. Im Paradies muß es doch jetzt geradezu köstlich sein und atmen || Sie bitte tüchtig die prächtige, liebe Sonne und Luft ein. Das wird Sie sicher heilen und wieder frisch und gesund machen. Denken Sie mal bitte, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat, was Sie Alles im Leben überwunden haben und da werden Sie auch dieses noch gut überwinden, ist doch Ihr kostbares Leben für Tausende so unbeschreiblich wertvoll. Ich freue mich sehr, daß Ihr Herr Sohn jetzt bei Ihnen weilt und Sie zusammen die Ordnung Ihrer Sachen vornehmen wollen. Da können Sie doch schön zusammen hinaus und ein Künstler frischt den andern auf. Der Gedanke macht mich sehr froh für Sie, lieber, guter Herr Geheimrat!

Werden Sie jetzt auch vielleicht dem Plan der Herausgabe Ihrer frühesten Zeichnungen || näher treten? Ich hoffe es sehr stark.

Die Herausgabe des mir heute gütigst gesandten Werkchen’s von Neumann finde ich sehr wertvoll und glaube auch ich, daß es sehr viel dazu beitragen wird, aufklärend über Ihre

Person und Ihr Schaffen zu wirken. Es ist doch nun einmal so, daß die Allgemeinheit Sie meistens nach Ihren Welträtseln und auch die nur meistens nach ein paar Schlagwörtern beurteilt und im Grunde keine Ahnung hat, was für ein prächtiger, lieber, guter Mensch, welch tief religiöse Natur der Verfasser ist. Würden die Menschen es mehr wissen und verstehen, was für eine Künstlernatur Sie sind, der stets nur das eifrigste Streben nach Wahrheit bei allem zu Grunde liegt, sie würden Sie sicher richtiger beurteilen, auch Ihre Gegner würden schweigen. Darum || freut es mich aufrichtig, daß dies Büchelchen auch wieder dazu beitragen wird, Ihr Bild und Schaffen der Allgemeinheit näher zu bringen und Ihnen sicher wieder viel Freunde und Bewunderer erwerben wird.

Mit viel Freude habe ich bereits Ihre köstliche Reiseschilderung vom asiatischen Olymp und Brussa gelesen. Vielen, aufrichtigen Dank!

Mir ist es leider auch nicht gut ergangen. Ich legte mich gleich Ostern an einer erneuten Lungenentzündung, die allerdings nicht so stark war, wie die im Nov. gehabte, aber doch so, daß der Arzt mir verboten hat, im chemischen Laboratorium weiter zu arbeiten, weil er den dort herrschenden Dämpfen die Schuld an der neuen Erkrankung giebt und meint, daß meine Lunge eben zu angegriffen wäre, um die dort herrschenden Ausdünstungen zu ertragen. Nun sprach ich gestern mit Hr. Dr. Vogtherr, || daß er mich dann in Bakteriologie und Pflanzenkrankheiten unterrichten will; ich bin dann den Dämpfen nicht so ausgesetzt. Allerdings meint er, daß die Aussichten bei diesem Lehrstoff nicht so gute wären und auch diese Arbeit schlechter bezahlt würde. Es tut mir sehr leid, ist doch aber nicht zu ändern.

Augenblicklich liegt mein armer Mann nun wieder an sehr schmerzhafter Stirn- und Kieferhöhlenentzündung.

Endlich habe ich nun in 4 Mon. 6 Tafeln fertig gestellt und dem Verlag gesandt, wofür ich heute pro Tafel 25 Mk., also 150.- Mk. erhielt, mit dem gleichzeitigen Schreiben vom Verlag „daß sie noch keinen Kontrakt mit mir machen könnten, sondern der Verleger nach Berlin kommen würde und persönlich mit mir sprechen, da Hr. Dr. Vogtherr in seinem letzten Schreiben seine Bearbeitung des Textes in Frage gestellt || hätte wegen Zeitmangels. Der 1 Bg. Text hätte auch derartig viel Zeit in Anspruch genommen, daß es in dieser Weise unmöglich fortgehen könnte.“ – Mir selbst liegt ja auch viel daran, daß ich das Material von Hr. Dr. V. fortlaufend erhielte, daß ich eben flott und rasch arbeiten könnte, nicht wochenlang müßig dasitzen müßte. Es ist doch aber wirklich ein reines Pech, daß meine ganze Arbeit nun illusorisch geworden ist, dadurch daß der Verlag vielleicht nun den Text von einem auswärts wohnenden Botaniker schreiben läßt. Ich bin schon ganz unglücklich über diese Aussicht und etwas ärgerlich auf Hr. Dr. V., der mit seiner Aussage doch noch wenigstens solange warten konnte, bis der Verlag mit mir einen Kontrakt gemacht hätte. Es ist nun nichts mehr daran zu ändern, aber es bleibt doch sehr traurig. ||

Nun hoffe ich nur sehr, daß Sie, lieber, hochverehrter, guter Herr Geheimrat, durch die Anwesenheit Ihres Herrn Sohnes und das schöne Frühlingswetter recht erfrischt werden und wieder guten Mutes sind. Lassen Sie bitte nur ja nicht die Flügel hängen. Dadurch wird es immer schlimmer, haben Sie bitte nur tüchtig wieder Mut und Vertrauen, und sagen Sie bitte „immer vorwärts durch!“

Mit der Bitte, mich Ihrer verehrten Frau Gemahlin und Ihrem Herrn Sohn bestens zu empfehlen, bin ich mit den herzlichsten, aufrichtigsten Wünschen und Grüßen für Sie, hochverehrter Herr Geheimrat, denen mein Mann sich anschließt, stets und immer

Ihre Sie so hochverehrende, Ihnen stets treu und innig dankbar ergebene

Ella von Crompton

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
02.05.1912
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 4443
ID
4443