Martens, Eduard von

Eduard von Martens an Ernst Haeckel, Berlin, 8. Mai 1859

8. Mai 1859

Liebster Freund!

Indem ich gegenwärtig unsere Korallen neu arrangire u. dazu Milne Edwards histoire naturelle de coralliaires 1857.8 sowie Chiaje’s V. Band vor mir habe, finde ich so viel im Verzeichniß der Korallen des Mittelmeeres zu ändern, daß ich schon meiner Ehre wegen genöthigt bin, a Dir Einiges davonb c mitzutheilen; um Dich mindestens nicht irre zu führen. So dann lege ich eine Skizze von Odostomia Humboldti und ein paar Worte für Acton bei, in der Hoffnung, daß sowohl er als Du meine Briefe vom Ende April erhalten habt. Namentlich ind den Gorgonien ist trotz Milne Edwards noch große Verwirrung und noch viel darin zu thune: Gorgoniarum species in Museis difficulter possunt determinari Bertoloni amoenitat academicae 1819f, ich habe ihre Charaktere g großentheils aush den verschiedenen Angaben zusammensuchen müssen, die mit + bezeichneten fehlen dem Museum; es wäre schön, wenn Du sie lebend beobachtetest u. Exemplare mitbrächtest. Isis elongata habe ich von Austernhändlern a Santa Lucia bekommen, Milne Edwards gibt sie aus dem indischen Ozean an, es wäre interessant etwas i näheres über ihr Vorkommen zu erfahren. Sie muß noch mit der fossilen Isis Melitensis verglichen werden.

Ich habe bei dieser Gelegenheit die neuere Ausgabe von Chiaje’s Memorie unter dem Titel Descrizione degli animale j invertebrati etc. durchgesehen, wo im V. Band eine Übersicht aller von ihm beobachteten wirbellosen Thiere mit Diagnosen sich findet, was ganz gut k ist; nur darf man seiner Synonymie nicht trauen; so ist z. B. sein Limax ater p. 72 eine ganz andere Art, seine Sigaretus wahrscheinlich alle l Lamellarien (Cloriocella bei Philippi) u. nicht Sigaretus etc. || Auffallend ist nur, daß dieser V. Band 1841 erschienen sein soll u. Philippi 1844 nichts davon wußte, im Gegentheil mehrere der hier angeführtenm Tafeln als tabulae ineditae citirt. Unter den Bryozoen dürfte darin manches neue sein, unter den Mollusken sind einige, die Philippi unabhängig von Chiaje u. meist aus Sicilien, nicht von Neapel beschrieben hat, so ist höchstwahrscheinlich Notarchus Neapolitanus Chiaje = Notarchus punctatus Philippi, Peronia Parthenopaea Chiaje = Onchidium nanum Philippi, Dolabella Neapolitana Chiaje = Aplysia petalifera Rang (mit Kalkschale, fehlt bei Philippi), Clavelina lepadifera Chiajen = Rhopalaea Neapolitana Philippi. Seine Pterotrachea umbilicata ist vielleicht eine mit der parasitischen Qualle besetztes Individuum, von welcher Kölliker u. a. in den letzten Jahren geredet haben. o Chiaje nennt auch p. 93 eine große neue Salpa aber ohne Maßangabe: Salpa Neapolitana: corpore maximo coeroleo elongato tereti depressiusculo apertura antica labiata, supernep tridentata valvalifera, postica tubulosa brevi, rosois vittis (Muskelbündel) lateralibus in longam digestis. Das ist alles, was er sagt. Über Chiaje’s anatomische Verdienste kannst Du besser als ich urtheilen, als systematischen Zoologen stelle ich ihn weit unter Philippi.

Es bleibt mir kaum noch Platz, kurz zu erwähnen, daß Deine lieben Eltern sich wohl befinden u. ich schon manche vergnügte Stunde seit Deiner Abreise bei ihnen zugebracht habe, daß Pertz noch hier ist und sich bei den Kriegsunruhen glücklich preist nicht in Italien zu sein, daß man oft fragt, ob Du nicht zurückkommst, ich es aber ganz vernünftig finde, daß Du dort bleibst, solange kein offener Krieg in Deiner nächsten Nähe ist, daß ein Freund von Claparède, Prévot, hier ist und ganz günstige Nachrichten über dessen Gesundheit brachte. Daß Humboldt q gestorben, weißt Du wohl schon; nun wird wieder [wie] bei Johannes Müller große Feierlichkeit sein u. ein paar Tage viel u. dann nicht mehr von ihm die Rede sein. Die Leuteglauben ihm zu gleichen, wenn sie ihn loben. ||

Zoophyta octactinia 8 gefiederte Fühler

Fam. 3r Pennatulidae frei im Sand steckend, s nicht angewachsen.

a) Eine innere feste kalkhaltige Achse.

Pennatula phosphorea Linnaeus, Milne Edwards, Pennatula italica Ellis und Solander,

Seiten des Mittelschaftes mit Chiaje t 160, dichten schuppenförmigen Papillen besetzt. Frühling u. Herbst nicht selten.

–grisea Esper. Seiten des Mittelschaftes glatt. Chiaje u 159,4; 161,12; 162.

– – var. spinosa Ellis. Chiaje 31, 1–3 Ränder der Fiederblätter wulstig.

Veretillum cynomorium Pallas Rapp fig.

+pusillum Philippi Wiegmanns archiv 1835. 4, 6–10. 2‴ lang, keulenförmig, Stiel so lang als polypentragender Theil des Schafts, Palermo.

+Funiculina +quadrangularis Pallas55 neapolitanisch penna del pesce pavone. Langgestreckt,

vierseitig, Polypen sitzend, nicht rückziehbar. Selten.

b) Keine innere feste Achse, dafür eine vierfachgetheilte Höhle

+Cavernularia (obesa Valenciennes?) und Carvernularia Valenciennesi Hercklots Beiträge

zur Thierkunde v. d. Zoologischen Gesellschaft in Amsterdam X. 1858 (holländisch). Palermo.

Fam. 1.v Alcyonidae. Festangewachsen, ohne innere solide Achse.

a) Polypen einzeln.

+Haimeia +funebris Milne Edwards w Cylindrische einfache Polypen von 3–4 Millimeter

Länge. Algier auf Felsen.

b) Polypen durch Ausläufer (stolones) sich vervielfältigend.

aa) Polypen rückziehbar.

+Cornularia +cornucopiae Pallas = [Cornularia] rugosa Lamarck Cavolini 9, 11–12

Basis verengt. Neapel, ohne x Spicula.

+crassa Milne Edwards histoire naturelles coralliaires tab. B 1 fig. 4.

Cuvier ed. illustration 65, 3. Überall gleich dick. Algier.

bb) Polypen nicht rückziehbar.

+Rhizoxenia +rosea (Evagora) Philippi Wiegmanns archiv 1842 1, 2, Dana, Milne Edwards 2‴

hoch. Auf Balanus. Neapel. Spicula?? y

c) Hautförmig, andere Korallen bes. Gorgonien überziehend.

Sympodium coralloides Pallas Marsigli 40, A–C. Polypen kurz, rückziehbar, ohne Spicula?,

korallenroth.

Anthelia? (Polypen nicht zurückziehbar). Risso beschreibt eine +Anthelia pulposa, Chiaje eine

+Anthelia rubra. Beide unsicher.

d) Polypenstock massig, verzweigt.

aa) Ohne Spicula, aber mitz vielen Kalkpunkten.

Alcyonium (sive Lobularia Lamarck) palmatum Pallas Marsigli 15, 74. Chiaje 163, 1–3., 31.,

neapolitanisch mano d’angioloaa (angelo?). Mit deutlichem Stamm. Ob Chiaje’s +Lobularia Digitata tab. 163, 7,30. wirklich die zweite in der Nordsee vorkommende Art, die sich nach unten nicht verengt, sei, weiß ich nicht.

bb) Mit kahnförmigen Spicula. Chiaje VI. 163, 23.

+Paralcyonium +elegans Milne Edwards bb = Alcyonidia elegans Milne Edwards = Lobularia

spinosa Chiaje III = Neptaea spinosa ||

Fam. 2 Gorgonidae. Angewachsen; eine feste innere (hornige oder kalkige Achse)

a) Achse hornig, biegsam, ohne Glieder

aa) Rinde cc nadelförmige Spicula oder schuppenförmige Kalkkörnchen enthaltend.

Prymnoa verticillaris Linnaeus Cuvier dd édition illustrée 79,2. Äste gefiedert. Polypen geviertelt, auf keulenförmigen, beschuppten Papillen.

Muricea placomus Linnaeus Marsigli 17,1. Baumförmig verzweigt. Polypen auf stark vorspringenden cylindrischen fein echinulirten Papillen, mit 8zahnigem Rand. Messina, Neapel Sars.

bb) Rinde ohne Spicula ee

(Eunicea+ (mollis Pallas?) humosa Esper, mollis Bertoloni amoenitates acad. 1819 „teres,

dichotoma, ramis flexuosorecurvatis, implexis, integumento spongioso, fusco, undique subaequaliter et creberrime verrucoso, osculis lacero dentalis” ist vermuthlich = Muricea placomus.

Gorgonia verrucosa Linnaeus Cavolini (roth, in Museen weiß, vielfach verzweigt)

ff Kelche der Polypen vorragend, mit einfachem? Rand. Milne Edwards

unterschied in Algier neben gg dieser noch eine Gorgonia +venosa Valenciennes

mit stärker vorspringenden u. +subtilis Valenciennes [mit] sehr schwach [vorspringenden] Kelchen u. dünnen Zweigen.

+Rissoi Chiaje V pag. 27 tab. 165 fig 1. Äste am Ende verdickt. Kenne ich nicht.

– graminea Lamarck Valenciennes, Milne Edwards = Bertolonii Lamouroux =

viminalis var. Esper Marsigli 16, 80. Endzweige lang, dünn, cylindrisch. Kelche kaum vorspringend, allseitig wie bei venucosa. Fehlt bei Chiaje?

Gorgonella sarmentosa Esper, Valenciennes, Milne Edwards = ceratophyta Bertoloni hh (eine

Basalscheibe Stammii schief gefurcht, zusammengedrücktjj, mit zerstreuten nicht vorragenden Polypenkelchen; vielfach verzweigt; Endäste stielrund, mit 2 Zeilen öfters vorragender Polypen, Achse soll kalkhaltig sein u. mit Säuren brausen.

a) Rinde roth: Gorgonia viminalis Chiaje p. 27. 77, 2.4 Cumae

b) Rinde gelb. Gorgonia ceratophyta Chiaje p. 26. 77, 1.3 Östliche Küste von Neapel.

Junceella+ elongata Pallas Valenciennes Gorgonia juncea Chiaje V p. 26 tab. 166, 15.

Schwach verzweigt, fast einfach, cylindrisch. Polypenkelche wirtelförmig, wenig vorragend. Roth. Achse kalkhaltig. Mir noch unbekannt.

+Bebryce mollis Philippi ist zweifelhaft – nach Milne Edwards vielleicht eine mit Sympodium

überzogene Gorgonie!!

Gorgonia +savaglia u. +tuberculata scheinen zu Antipathes (kk Polypen mit 6 Fühlfäden, Achse

ganz glatt, schwarz) ll zu gehören. mm

Pterogorgia patula Ellis gefiedert, Polypen zweizeilig, soll v. Gibraltar stammen.

b) Achse kalkig einfach

Corallium rubrum.

c) Achse gegliedert

Isis elongata Esper. (= Mopsea Mediterranea Rissonn lange weiße schwach gestielte Kalk-gliederoo u. hornige dünne Zwischenglieder Verzweigungen in den hornigen Gliedernpp

Dein Eduard

a gestr.: es; b eingef.: Einiges davon; c irrtüml.: zu; gestr.: schr; d eingef.: für; gestr.: mit; e eingef.: noch viel darin zu thun; f eingef. mit Einfügungszeichen: Gorgoniarum … 1819; g gestr.: th; h gestr.: nach; eingef.: aus; i gestr.: über ihr; j gestr.: s. v [vermutl.: senza vertebre]; k gestr.: wäre; l gestr.: (; m gestr.: nur citirten; eingef.: angeführten; n eingef.: Chiaje; o gestr.: Diese; eingef.: Chiaje; p gestr.: suprema; eingef.: superne; q gestr.: am S; r korr. aus: d; s gestr.: unten; t gestr.: 31, 15; u gestr.: 31,4; v korr. aus: 2.; w gestr.: Einz; x gestr.: Kalknadeln; y eingef.: Spicula??; z gestr.: durch; eingef.: mit aa gestr.: angel.; bb gestr.: Ann sc. n; cc gestr.: mit Spicul; dd gestr.: nouv; ee gestr.: Achse ru; ff gestr.: ste; gg korr. aus: daneben; hh gestr.: An, ii gestr.: Achse; eingef.: Stamm; jj korr. aus: zusammengepreßt; kk gestr.: sei; ll gestr.: Rinde verz; mm gestr.: G; nn eingef.: (= Mopsea Mediterranea Risso; oo korr. aus: Kalkglieder; pp eingef.: Verzweigungen in der hornigen Gl.

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
08.05.1859
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 44390
ID
44390