Ernst Haeckel an Roland Anheisser, Jena, 11. Juni 1904

[Abschrift]

Zoologisches Institut

der Universität Jena.

Jena

11.6.1904.

Lieber Herr Anheißer!

Für Ihren Brief und die begleitenden Probetafeln Ihres neuen Werkes: „Mikroskopische Kunstformen des Pflanzenreiches“ sage ich Ihnen meinen herzlichen Dank; ebenso für Ihr freundliches Anerbieten, mir dieses schöne Werk widmen zu wollen; ich nehme dasselbe mit bestem Dank an und freue mich aufrichtig, daß mein treuer Schüler in so erfreulicher Weise meine eigenen Intentionen fortsetzt. Meine „Kunstformen der Natur“ erfreuen sich fortdauernd lebhafter Teilnahme; ich wünsche, daß dieselbe auch Ihrem Werke zu Theil werde.

Mit herzlichem Gruß

Ihr

Ernst Haeckel.

(hierzu gedruckte Anlage in Abschrift.)

[Beilage:]

Abschrift eines gedruckten Briefs als Beilage zu einem Brief vom 11/6.1904.

Nach meiner Rückkehr aus Italien, wo ich den letzten Winter verbrachte, fand ich hier in Jena eine erdrückende Fülle von Briefen, Drucksachen und anderen Postsendungen vor. Darunter befanden sich zahlreiche nachträgliche Glückwünsche zu meinem siebzigsten Geburtstage, den ich am 16. Febr. d. J. in Rapallo an der Riviera levante beging; ferner sehr viele Anfragen betreffend schwierige Probleme, die ich in meinem Buch über „die Welträthsel“ ungenügend erörtert habe. Die Antwort auf diese philosophischen Anfragen werden die geehrten Correspondenten in einer biologischen Schrift finden, die ich während des Winters am Gestade des Mittelmeeres verfasst habe, und die im nächsten Herbst als Ergänzungsband der „Welträthsel“ unter dem Titel: „Die Lebenswunder“ erscheinen wird.

Da es mir leider unmöglich ist, allen den geehrten Correspondenten (– deren Zahl allein im letzten Jahre Dreitausend überschritten hat –) persönlich zu antworten, muß ich sie bitten, in diesen Zeilen meinen besten Dank für ihre Teilnahme an meinen Arbeiten entgegen zu nehmen. Zugleich möchte ich sie aber daran erinnern, dass die monistische Weltanschauung, die ich als Ergebnis meiner Lebensarbeit in meinen Schriften niedergelegt habe, ebenso unvollkommenes Stückwerk bleibt, wie die Philosophie aller anderen denkenden Menschen. Viele offene Fragen würde ich auch dann nicht beantworten können, wenn || mir Zeit und Kraft in genügendem Maaße zu Gebote stünden. Leider ist dies aber nicht der Fall. Ich kann daher auch den zahlreichen Bitten um Besprechung von Schriften und Durchsicht von Manuskripten zu meinem Bedauern keine Folge leisten. Indem ich das achte Decennium eines vielbewegten, arbeitsfreudigen und kampfreichen Lebens antrete, fühle ich dringend das Bedürfniß nach beschaulicher Ruhe und verzichte auf weitere Arbeit in dem Bewußtsein, nach besten Kräften zur Erkenntniß der natürlichen Wahrheit beigetragen zu haben.

Ernst Haeckel.

Jena, 28. April

1904.

Brief Metadaten

ID
44248
Gattung
Briefabschrift
Institution von
Zoologisches Institut der Universität Jena
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
11.06.1904
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
1
Umfang Blätter
1
Format
21,0 x 13,4 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 44248
Beilagen
Abschrift der ursprünglich gedruckten Beilage vom 28.04.1904
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Anheisser, Roland; Jena; 11.06.1904; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_44248