Crompton, Ella von

Ella von Crompton an Ernst Haeckel, Rittergut Gelens (Kreis Kulm), West-Preußen, 22. Mai 1911

Gelens, Kr. Kulm W./Pr.

22.V.11.

Hochverehrte Excellenz,

erst heute kann ich Ihnen, hochverehrter, lieber Herr Geheimrat danken für Ihren lieben Brief und Ihre liebenswürdige Karte mit Ihrer gütigen Auskunft, da es mir gesundheitlich nicht gut ging. Meine Karte aus Marienburg haben Sie hoffentlich erhalten. Ein kurzer Gruß sollten Sie doch wenigstens erreichen.

Vor Allem aber, wie geht es Ihnen? Meine innigsten und aufrichtigsten Wünsche sind stets bei Ihnen und es schmerzt mich tief, daß ich Ihnen so gar kein bischen helfen kann Ihre so || schwere Leidenszeit zu erleichtern oder zu verkürzen helfen. Haben Sie noch sehr viel Schmerzen, lieber, guter Herr Geheimrat? Ist es wahr, was die Zeitungen bringen, daß Sie schon anfangen, etwas zu gehen?

Ich freue mich sehr, daß Sie solch gute, ausgezeichnete Pflege haben und daß Frl. Holgers Ihnen etwas Arbeit abnehmen kann. Ich erhielt vor einigen Tagen an meinem Wilmersdorf. Adresse eine Karte von ihr aus Jena über Ihr Befinden und werde ich ihr noch danken.

Wenn es nicht zu unbescheiden ist, ich würde mich aber so sehr freuen, von Ihnen, lieber, guter Herr Geheimrat auch bald eine Zeile über ihr Befinden zu hören, bitte ja?

Herzlich dankbar bin ich Ihnen für die Blumenauskunft. Es war so sehr, sehr lieb von Ihnen! || Meine Freundin u. Gastgeberin, Frau Bischoff‐von Winter freute sich so mit; auf mein Zureden hin, fügte sie selbst den Gruß auf meiner Karte aus Marienburg an Sie hinzu; weil ich sagte, Sie freuten sich immer, von lieben Menschen, Wünsche und liebe Grüße zu erhalten. Es stimmt doch, nicht? Und sie ist eine solch große Verehrerin von Ihnen und ist mit mir so traurig über Ihr böses Mißgeschick. Nicht wahr, da freuten Sie sich, lieber, guter Herr Geheimrat, doch über die Grüße und Wünsche meiner Freundin.

Wir leben hier sehr still dahin und genießen doch sehr die Stille und Ruhe unser allgütigen Gott-Natur, deren Nähe ich besonders wohltuend empfinde nach dem entsetzlichen Großstadtgetriebe. Eine kleine Unterbrechung bedeutete eine kleine Reise von 8 Tg. nach Elbing, wo meine Freundin geschäftlich zu tun || hatte, von dort aus fuhren wir per auto nach Cadinen, das wundervoll am Haff liegt, eine kleine Skizze brachte ich mit, dann zurück nach Marienburg, am andern Morgen die alte Marienburg angesehen. Ich kannte dies Ordensschloß noch nicht, und es liegt so entzückend an der Nogat. Etwas skizziert und dann heim per auto mit Windeseile. Vom Wetter sehr begünstigt war das ein rechter Genuß. Ich kenne so wenig und ist es mir eine extra große Freude immer deshalb ein bischen Welt kennen zu lernen. ach ja – Immer waren meine Gedanken und treusten Wünsche bei Ihnen, daß Sie, liebster, guter Herr Geheimrat, recht bald wieder ihre schöne Natur genießen können.

Recht, recht gute Besserung und recht wenig Schmerzen, Alles Gute und Liebe Ihnen, lieber, guter Herr Geheimrat, in der stillen u. unbescheidenen Hoffnung, recht bald ein paar Worte von Ihnen zu hören.

stets Ihre Ihnen treu u. aufrichtig dankbaren Sie hochverehrende, herzlich ergebene

Ella v. Crompton geb. Gewert.

Ich lese hier von Ihrem alten Freunde Allmers „Römische Schlen-a||dertage“, die meine Freundin hier besitzt. Sie gefallen mir so u. ich wüßte gerne, was A. sonst noch geschrieben hat,b || auch wo das Gedicht enthalten ist, das er über seine Begegnung mit Ihnen gemacht hat, das Bölsche erwähnt. Ich möchte gerne mehrc || von ihm lesen. Sehr interessiert mich hier die große Goethe-Ausgabe, in der so viel, viel mehr drin steht, als in meiner. Ich bekomme von unserem herrlichen Goethe nie genug.d

a eingef. am linken Rand auf Seite 4: Ich lese … Schlen-; b eingef. am linken Rand auf Seite 3: dertage …hat,; c eingef. am Rand auf Seite 2: auch wo … gerne mehr; d eingef. am Rand auf S. 1: von ihm … nie genug.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
22.05.1911
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 4414
ID
4414