Berlin, 2ter Juli 1865. | Schellingstraße 10.
Lieber Häckel,
Ihr Brief hat mich sehr gefreut, obwohl er mich etwas in Verlegenheit gesetzt hat. Ich hatte nehmlich Ihrem Vater nicht eine so bestimmte Erklärung machen wollen, wie er sie aufgefaßt zu haben scheint. Die dalmatische Küste hat mich immer gereizt, und als ich von ihm hörte, daß Sie hingehen wollten, regte sich in mir die alte Lust. So entstand die Frage, ob Sie mich mitnehmen wollten, eine Frage, um so mehr ungewiß || als ich bis jetzt noch so sehr in den Resten der parlamentarischen Zeit stecke, daß ich jeden Ferien-Gedanken gewaltsam zurückschiebe. Ihr sehr bestimmt entwickelter Plan reizt mich aber sehr u. ich verspreche ihn genau zu erwägen. Insbesondere würde ich sehr gern mit Ihnen auf der „Insel“ weilen und etwas Meeres-Protoplasma studiren. Ich empfinde sehr lebhaft das Bedürfnis, meine Anschauungen von dieser Seite her etwas zu erweitern, und wenn ich Ihre Er-||fahrung zur Seite hätte, so würde ich meine maritimen Kenntniße schnell ausdehnen können.
Lassen Sie mich also in einigen Wochen hören, was Sie etwa weiter beschlossen haben. Wahrscheinlich würde ich mich, selbst wenn ich sonst ganz in Ihre Pläne einginge, in Beziehung auf die „Insel“ etwas kürzer faßen, als Sie, u. Sie, wie Theseus die Ariadne, schmählich sitzen lassen. Wollen Sie es aber darauf hin wagen, so schreiben Sie mir.
Nebenbei ist unsere politische Situation so || unklar, daß ich nicht ganz von der Furcht frei bin, daß von dieser Seite noch etwas dazwischen kommen könnte. Der schleswig-holsteinische Janus-Herzog wird sich wahrscheinlich weiter geltend machen, und wer weiß, ob nicht nach abgeschlagenem Duell Hr. v. Bismarck mich noch vor Gericht citirt. Das muß leider auch abgewartet werden, und ich muß zusehen, daß ich mir Ihre und so vieler braver Männer Gunst nicht noch nachträglich verscherze.
Inzwischen herzlichen Gruß und Dank!
Ihr
R. Virchow