Ernst Haeckel an Wilhelm Bölsche, Jena, 11. Mai 1906
Jena 11. Mai 1906.
Lieber Freund!
Wir haben sehr bedauert, daß Du und Wille nicht zu der ersten Ausschußsitzung des Monistenbundes am 9. Mai hier sein konntet. Es waren 10 Mitglieder anwesend, darunter 3 Münchner (die besonders rührig sind). Unser Präsident, Dr. Kalthoff konnte leider auch nicht kommen; er ist seit Monaten krank und scheint das Präsidium im Laufe des Jahres niederlegen zu wollen. Als Stellvertreter haben wir Prof. August Forel gewählt, als Verleger der Druckschriften den „Kosmos“-Verlag (Frankh-Keller, Stuttgart). Den Druck besorgt Dr. Breitenbach, der zugleich Geschäftsführer ist, zusammen mit Dr. Heinrich Schmidt, der als General-Sekretär mit 3000 Mk fest angestellt ist. || Nachdem nunmehr die Grundzüge der Organisation endlich festgestellt sind, hoffen wir, daß unser Monistenbund sich bald durch actives Leben betätigt. Die Flugschriften sollen in zwanglosen Heften (zu 2–4 Druckbogen) erscheinen, je 10–12 zusammen einen Band bilden. Wir hoffen sehr, daß auch Du uns bald einen Deiner Vorträge für die Sammlung überläßt und ihr damit von vornherein Glanz verleihst.
Sehr gefreut habe ich mich, von Dir zu hören, daß Dein vortreffliches „Lebensbild“ von mir so glänzenden Erfolg hat und in einer neuen starken Auflage erscheint. Da Du ein neues Porträt dafür wünschest, schicke ich Dir beifolgend mehrere Bilder, die im Laufe des letzten Jahres photographisch aufgenommen sind. Aus Anlaß der Berliner Vorträge (April 1905) habe ich 80 verschiedene Aufnahmen über mich ergehen lassen müssen. || Die besten waren die von Bieber in Berlin (Leipziger Str.) und von dem (schräg gegenüber wohnenden) Brasch. Später (im Juli) hat hier Tesch ein Dutzend verschiedener, sehr guter Aufnahmen gemacht, von denen eine durch Büxenstein heliographirt und durch G. Reimer in den Handel gebracht ist. Es wird Deinem Verleger leicht sein, sich mit den Photographen wegen des Rechts der Vervielfältigung zu arrangiren. Vielleicht suchst Du selbst bei Bieber die Aufnahme aus, die Dir am besten gefällt. Die englische Übersetzung Deines Lebensbildes von Mc Cabe (mit Zusätzen von ihm und mit 13 Bildern) wirst Du durch den Verleger in London (Fisher Unwin) erhalten haben; sie findet in England vielen Beifall. || Die 2 photograph. Gedenkblätter, die ich beilege, sind verkleinerte Reproduction von 2 schönen Geschenken, die mir meine Schüler und Freunde zum 70.sten Geburtstage dedicirt haben.
Mit meiner Gesundheit geht es jetzt besser. Ich habe am 1. Mai meine Vorlesungen über Allgemeine Zoologie wieder begonnen (bei übermäßigem Andrang von Zuhörern) und hoffe sie bis August durchführen zu können.
Du wirst nun wohl bald wieder in’s Riesengebirge flüchten. Es würde uns sehr freuen, wenn Du mit Deiner lieben Frau uns in Jena einen Besuch abstatten könntest. Das Unglück des armen Heinrich Hart habe ich sehr bedauert.
Mit herzlichen Grüßen und besten Wünschen
Dein treuer alter
Ernst Haeckel.