Ernst Haeckel an Wilhelm Bölsche, Jena, 15. Oktober 1905

Zoologisches Institut

Der Universität Jena.

Jena 15.10.05.

Lieber Freund Bölsche!

Gestern war Baege hier, um mit mir die Gründung des so viel gewünschten „Monistenbundes“ zu beraten. Wir conferirten 3 Stunden zusammen mit zwei hiesigen, sehr eifrig dafür interessierten Gelehrten: Dr. Heinrich Schmidt (der eventuell activer Geschäftsführer sein würde) und dem unabhängigen Privatgelehrten Thiele (der ihn unterstützen würde). Zweifellos ist das Bedürfniß eines solchen monistischen Central-Vereins (– dem sich viele einzelne bereits bestehende monistische Gesellschaften und Freidenker-Vereine anschließen könnten –) sehr lebendig. || Ich bekomme zahlreiche Anfragen: „Wann“ und „Wo“ der von mir (Septb. 1904) in Rom projectirte „Monistenbund“ endlich ins Leben tritt? Kürzlich hat sich auch ein reicher Hamburger Kaufmann gemeldet, der eventuell eine bedeutende Summe zur Unterstützung stiften will. Thiele und Breitenbach waren vorige Woche in Hamburg bei ihm zur Besprechung und setzen darauf große Hoffnungen. Wir sind mit Baege der Ansicht, daß hauptsächlich durch Wandervorträge und Flugschriften (kleine Broschüren) zu wirken ist, eventuell durch eine ständige neue Zeitschrift, da keine der bestehenden genügt. Als Sitz des Ausschusses wurde Jena am passendsten befunden. ||

Da allgemein und dringend gewünscht wird, daß ich als nomineller „Ehren-Präsident“ an der Spitze stehe, will ich dieses Opfer eventuell bringen. Jedoch habe ich bestimmt erklärt, daß meine active Mitwirkung (– wegen meiner stetig schlechter werdenden Gesundheit! und Arbeits-Überlastung!) – nur sehr beschränkt sein kann. Für den constituirenden Ausschuß haben wir vorläufig 8–10 Namen in Aussicht genommen: außer mir:

1. Wilhelm Bölsche! (höchst wichtig!)

2. M. H. Baege 3. H. Schmidt

4. B. Wille(?) 5. Kalthoff(?)

6. Breitenbach 7. Arnold Dodel

8. Lipsius(?) 9. Jodl (Wien)

10. E. Haeckel, Cooptation vorbehalten! ||

Wegen unseres lieben Freundes B. Wille (dessen Autorität sehr wichtig wäre!) sind wir leider voll Bedenken, da sein „Monismus“ immer dualistischer wird; vielleicht endet er, wie Steiner, in Theosophie und Occultismus!? Paulsen u. a. Gegner der „Welträthsel“ stellen ihn mir als Muster des wahren Monismus (– mit Garantie der „Unsterblichkeit“!! –) entgegen!!

Deine nominelle Mitwirkung ist höchst wichtig! Du sollst ebenso wie ich mit Geschäften und zeitraubenden Schreibereien gänzlich verschont werden. Also, bitte, bringe unserer guten Sache diese Opfer! Alles Andere wird Dir Baege mündlich mitteilen. Zunächst soll (in 10–14 Tagen) ein Programm und Aufruf zur Mitwirkung an einen ausgewählten engeren Kreis versandt werden.

Mit besten Gr. D. E. Haeckel.

Herzlichen Dank für Eure lieben Kartengrüße! E. H.a

a Text am linken Rand von S.1: Herzlichen … E. H.

Brief Metadaten

ID
42245
Gattung
Brief mit Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Zielland
Deutschland
Datierung
15.10.1905
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Besitzende Institution
Biblioteka Uniwersytecka we Wroclawiu
Signatur
Handschriftenabteilung, Böl.Hae.116
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Bölsche, Wilhelm; Jena; 15.10.1905; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_42245